Spritzmeister Peter
Foto: Rebhandl
Peter ist 52, es geht ihm gut. Ich besuche ihn in Alt Erlaa, wo er eine Wohnung mit Blick auf Schwechat hat: „Siehst du Tower? Und dahinter den Windpark?“ Er ist am 26. Juni 2013 hier eingezogen, ein Datum das er nie vergessen wird: „Das war stressig und anstrengend, weil auch die Schwester an diesem Tag geheiratet hat.“ An diesem Tag hat er also nicht gedreht. Ob er gespritzt hat? Wohl schon.
Amateur-Movies
Peter ist Pornodarsteller im Amateurbereich. Er liebt Sex nicht nur, er braucht Sex. Sex beschäftigt ihn auch, wenn er in der Arbeit ist. Da denkt er: Wie wär‘s mit der oder mit jener? Vorbeigehende Frauen befeuern seine Fantasie. Allerdings hat er sich mittlerweile ein wenig beruhigt in der Hose, sodass er sich hin und wieder einfach sagt: Nettes Gestell, aber wenn’s mit der nichts wird, ist es auch wurscht.
„Wenn man sich mir antut, gehört das mit dazu“, sagt er. Dafür bewundert und respektiert er seine Freundin, die seinen starken Drang als Teil von ihm akzeptiert und ihm auch nicht nehmen möchte. Sie sieht sich auch nicht in Konkurrenz zu den Frauen, die er begehrt. „Das bedingt eine gewisse Erwachsenheit, das ist grandios und wunderbar an ihr“, schwärmt er.
Wie kam er zu seinem ersten Dreh? Wie wurde er zum Spritzmeister?
Ihm war ab 26 Jahren „ein bisserl fad im Schädl“, sagt er. Da tauchte er ein „in die Swingerei“ und besuchte beispielsweise das Traumland im 8. Bezirk. Dann gab es 1995 in St. Pölten die erste Österreichische Erotikmesse, da dachte er sich: „Da schau ich hin!“ Und dort lernte er den damals berühmten und heute legendären Fred Adam kennen, „einen recht schrillen Riesenlackl mit großen, rot umrandeten Brillen“, der die Funmovies Produktion hatte und Amateurvideos für Sexbegeisterte mit Sexbegeisterten drehte.
Legende
Peter stellte sich ihm als pornobegeistert vor, und Fred gab ihm seine Karte. Der suchte damals sowieso ständig Darsteller über Inserate in der Kronenzeitung, Rubrik: „Diverse Jobs“. Anforderungen an Aussehen oder Körper- bzw. gar Penisgröße gab es nicht, im Gegenteil: Fred suchte gerade das Amateurhafte, Normale, Durchschnittliche, und etablierte so seine Geschäftsidee: Normale Männer und Frauen, „schlank bis mollig oder gar – Tschuldigung! - auch blaaad“. Sogar Omas waren und sind immer willkommen, solange sie sich auf den DVD-Covers Grannies nennen ließen.
Peter füllte einen Fragebogen aus über seine Vorlieben und Tabus, schon kurz darauf rief ihn Fred zum ersten Dreh: Ein Ehepaar reiste aus der Steiermark an, „er war groß (in jeder Hinsicht!), sie mollig, beide um die 40.“ Gedreht wurde beim Chef selbst, dessen große Wohnung auch sein Studio war. Peter war aufgeregt, und zwar „sehr, sehr, sehr.“ Trotzdem kam er nach einer langen Nacht mit langem Dreh erst zum morgendlichen Läuten des Weckers wieder nach Hause - nachdem er zuvor alles gemacht hat, was ihn „Sternderln sehen“ ließ - Strap-on und Fisting inklusive.
Wenn schon, denn schon!
Titel des Werkes? Weiß er nicht mehr.
Spritzmeister
Aber es war die erste seiner bisher über 60 Arbeiten, in denen er vor allem eine herausragende Qualität zeigte: Das Spritzen. Bald war er in der Szene als „Der Spritzmeister“ bekannt, dessen Ergüsse es bis zu einem weit oben hängenden Luster schafften. “Der ganze Sommer 95 war dann sehr intensiv”, berichtet er, und Peter war im Himmel. „Die Frau beim zweiten Dreh war schlank, groß, wunderschön und jung.“ Wobei: Ästhetische Vorlieben oder gar Vorbehalte kennt Peter nicht. „Es kommt auf die berühmte Chemie drauf an, die hinhauen muss. Wenn es ihr Spaß macht, dann macht es mir auch Spaß.“ Und dann steht er ihm auch verlässlich. Er hat ein gesundes Empfinden für Gleichberechtigung und Respekt beim Drehen, „weil sonst kannst du das Video sowieso in den nächsten Kübel werfen.“ Wenn seine Drehpartnerin zu etwas „Nein!“ sagt und man ihr dann dafür mehr Geld anbietet, damit sie es macht, macht er es trotzdem nicht. Er ist ein Sir.
Harte Jobs
Peter hatte damals keine Freundin. Er hat Koch gelernt - „Da zaht man ganz schön!“ -, dann war er eine Zeitlang im Personenschutz im Personenschutz tätig, wo man auch gut trainiert sein muss. Später lieferte er Bierfässer in die Keller der Wirten. „Ich war fit und hatte weniger Bauch.“ Heute arbeitet er von 8 bis 16 Uhr im Haustechnikbereich. Am Wochenende, wenn vorher der Fred gerufen hat, fuhr er dann halt in dessen Studio bzw. in sein Haus in Sulz im Wienerwald: „Villenartig und mit einem unglaublich schönen, wilden, riesigen Garten, in dem wir auch gedreht haben.“ Dass so ein wilder Garten aber eine Mordsharcke ist – wenn man dort nicht dreht -, hat er auch mitgekriegt, weil er ihm dann oft beim Astschnitt oder Laubrechen geholfen hat. Peter ist auch ein leidenschaftlicher Gartler.
Keine Anbläserin
Vorbereitung auf diese Drehs „hab ich in dem Sinn keine gebraucht“, sagt er. Erektionsmäßig war er sowieso immer top, er braucht also keine „Anbläserin“, wie sie im professionellen Pornobetrieb üblich ist. Auch auf Dirty Talk kann er verzichten, „das brauche ich nicht, um in Stimmung zukommen.“ Hingegen bietet er dem Gegenüber gerne Diry Talk an („Mach auf die Muschi! Komm her! Der ist für dich!“), wobei ihm der Befehlston gar nicht so liegt. „Ich bin eher der Devote.“ Er empfindet sich als „vollkommen normalen Menschen, der halt Spaß am Sex hat und seinen Hang zum Exhibitionismus auslebt.“
Steht er immer?
Steht er ihm eigentlich immer? Er erzählt gerne und offen darüber, „denn es ist ja so: Bei den Mädels liegen die Genitalien innen, die können erzählen, was sie wollen. Bei einem Mann hingegen muss er im Pornogeschäft stehen.“ Und irgendwann muss er spritzen.
Mit Druck geht aber auch beim Porno gar nichts. Er selbst kommt in seiner Karriere vielleicht auf „zehn Totalversager, wo ich keinen Spritzer mehr zusammengekriegt habe. Die Rübe steht wie ein Einser, manchmal fehlen zwei Stöße, und die Kanone würde losgehen. Aber dann sagt irgendwer irgendwas, was in diesem kleinen Moment nicht in mein Konzept passt, dann höre ich nur noch die Uhr ticken… Tick Tack Tack.“ Und Stress. Dann ist er mit sich selbst nicht mehr im Reinen. „Das Mädel ist lieb, bemüht sich, strengt sich an, und dann geht nichts …“ Beim Pornodreh ist der Cumshot aber zwingend, darum heißt er auch Moneyshot.
Moneyshot
Geschnitten wird bis zum Cumshot bei solchen Pornos nicht viel. „Der Fred ließ dann einfach die Kamera laufen, während er was anderes machte.“ Nebenher werden Fotos gemacht, um die Verwertungskette optimal bedienen zu können. Mittlerweile bekommt Peter selbst freilich nur noch auf 30 Euro für so einen Dreh, früher bekam er immerhin zwischen 1000 und 1500 Schilling. Und wenn er fürs Ausland gedreht hat - was Fred Adam damals für den Dolly Buster Verlag machte -, bekam er 300 Mark. Weil damals noch auf Band gedreht wurde und also Kosten anfielen, „hat der Fred immer darauf hingewiesen, dass wir keine Stummfilme drehen: Ich will Uh! Ah! Uh! Aaaah!, hat er gesagt.“ Und wenn er kein Stöhnen hörte, war er genervt. Aber Peter tat sowieso immer sein Bestes, um die Ladys zum Stöhnen zu bringen. Selbst wird er der Pornos nicht überdrüssig, er braucht seine Dosis, „drei Mal in der Woche schaue ich mir auf jeden Fall welche an.
Seine Familie weiß über seine Nebenjobs Bescheid. „Wenn ich meine Mama am Nachmittag treffe und ich habe am Abend einen Dreh, dann erzähle ich ihr davon.“ Hausieren geht sie nicht mit ihrem Pornos drehenden Sohn, und stolz ist sie auch nicht darauf. Stolz ist sie, dass er schon mal mit dem André Rieu zusammengearbeitet hat, weil Peter nämlich auch auf einem Niveau Eislaufen kann, für das man Geld bekommt. Er ist ein sehr guter Eiskunstläufer und hat mit seiner Eistanztruppe zusammen mit der ehemaligen Österreichischen Meisterin Claudia Kristofics-Binder schon eine Choreografie erarbeitet. Da schaut dann auch die Mama gerne zu, „das gefällt ihr.“ Dass am Eis viele schöne Männer laufen, gefällt wiederum ihm, denn er ist bekennend Bisexuell.
Romantik
Und noch etwas: Heute gibt es sogar Tage, wo er eine Anfrage ignoriert und lieber einen Ausflug macht. Erst neulich verzichtete er auf July Noir, die MILF aus Deutschland, und ging mit seiner geliebten Freundin spazieren. Denn im Tiefsten ist Peter ja doch ein Romantiker.