Harald Schmidt
Foto: Brandstsätter Verlag
Wer hätte das gedacht? Der große deutsche Late-Night-Talker, Schauspieler und Comedian liebt Oberösterreich, Frittattensuppe und - wenig überraschend! - Thomas Bernhard…
Ein Gespräch
STANDARD: Ohne dass Sie das Wort überhaupt korrekt aussprechen konnten, wurden Sie vergangenes Jahr von Ihrem Verlag auf eine schöne Reise durch Oberösterreich geschickt, auf die Suche nach Thomas Bernhards geliebter Frittatensuppe. Heute isst man in dieser Gegend vornehmlich Entwurmungsmittel. Ist Ihnen das letztes Jahr schon aufgefallen?
Harald Schmidt: Ich wurde dort ausgesprochen herzlich aufgenommen, auch von Gästen, die schon in den Morgenstunden mit dem zweiten Bier vorm Wirtshaus saßen. Ein Gast, mit dem ich sofort ins Gespräch kam, sagte: "Ich grüße den Germanen!" Da dachte ich mir, meine eigene Heimat könnte sich noch ein Stück abschneiden von denen. Ob sie mit dem Bier Entwurmungsmittel hinuntergespült haben, weiß ich aber nicht.
STANDARD: Haben Sie in Oberösterreich nicht Sehnsucht zum Beispiel nach Hawaii bekommen, wo sich Ihr früherer Autor Benjamin von Stuckrad-Barre gerade aufhält, wie wir alle durch Insta wissen?
Schmidt: Ist das so? Na gut, ich war auch schon auf Hawaii, ist schön dort. Aber es ist halt so wahnsinnig weit! Momentan fahre ich lieber Bahn in der Gegend Deutschland/Österreich/Schweiz. Bahnfahren finde ich fantastisch.
STANDARD: Wir in Österreich haben ja schon das Klimaticket.
Schmidt: Und sehen Sie: Wieder mal sind uns die Ösis voraus! Bei uns machen sich die Grünen die Taschen voll mit 1500 Euro Covid-Bonus pro Mann und Frau, aber wir, das arbeitende Volk, kriegen nicht mal ein Klimaticket. Das Ticket ist eine tolle Sache! Ich bin ja auch nach Oberösterreich mit dem Zug gefahren, von Bad Vöslau nach Attnang-Puchheim ...
STANDARD: ... oder Nang-Pu, wie die Chinesen sagen ...
Schmidt: ... und die dort am Traunsee vielleicht mal einen Hafen bauen werden, die reden nicht, die bauen! Und dafür werden sie dann auch noch beschimpft, wie von so einem Ehepaar, das da letzten Sommer neben mir auf der Terrasse saß, in meinem Alter, Weißwein, Mittagessen, und der Mann schimpfte nonstop auf eine chinesische Reisegruppe: "Da, schau s’ da aun, de faulen Hund! Und mia derfen oabeitn!" Das war absolut großartig, weil es ja einfach inhaltlich nicht stimmt!
STANDARD: Die Frittatensuppe, die Sie dann auf Ihrer Reise gegessen haben, ist ja keine einfach zu essende Suppe, man sieht dann oft aus wie das sprichwörtliche Schwein mit den Frittaten überall im Gesicht und am weißen Hemd.
Schmidt: Ich war da ja schon geübt, weil ich diese Suppe als Flecklsuppe aus Schwaben kannte.
STANDARD: Und morgens im Hotel gab’s dann immer zwei Eier im Glas?
Schmidt: Lieber zwei Spiegeleier. Und wenn ich in englischen Ländern unterwegs bin, dann immer "sunny side up", weil ich so stolz bin, den Begriff zu kennen. Dort versuche ich auch immer, Sätze anzubringen, in denen relativ selten verwendete Wörter vorkommen, damit die Leute denken: Wow, der kann aber Englisch! Zum Beispiel "scaffolding", Baugerüst. Neuerdings sag ich zum Hotelpersonal gerne: "Thank god I can look out of my window because there is no scaffolding in front of it!"
STANDARD: Sie schauen aus Hotelzimmern, Bernhard schaute oft tagelang fern und aß dabei Hausmannskost.
Schmidt: Ich schaue fern, ohne abends zu essen, weil ich ja Sodbrennen habe, wenn ich abends esse. Dabei schreie ich den Fernseher gerne an, so in der Art: "Halt die Schnauze!" Oder wenn jemand sagt, er will die Renten vervierfachen, schreie ich schon: "Guter Mann!" Ich merke natürlich die nonverbale Reaktion meiner Familie, die im Wesentlichen lautet: Nächste Stufe Pflegeheim!
STANDARD: Haben Sie Ihren Kindern denn gleich mal Essigwurst mit Hesperidenessig aufgetischt, nachdem Sie von Ihrer Reise nach Hause gekommen sind?
Schmidt: Nein, aber ich habe in Aussicht gestellt, dass wir da mal alle zusammen hinfahren, tolle Hotels, super Essen. Wurde aber nur in Grenzen gut aufgenommen, weil natürlich gleich die Frage kam: Müssen wir dort auch wandern gehen?
STANDARD: Gehen Sie denn selbst gerne wandern?
Schmidt: Ich gehe am liebsten so sinnlos im Kreis, Rundstrecken, weil ich ja nicht imstande bin, mich mit GPS zu orientieren, geschweige denn überhaupt eine Wanderung zu planen. Auch leichte Anstiege mache ich, aber nicht vier Stunden rauf und sechs Stunden runter und dann noch durch einen Bach. Das schau ich mir im Internet an.
STANDARD: Gehen Sie wie Peymann schon so mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt?
Schmidt: Na, na, Peymann war ein großer Wanderer! Zum einen mit Bernhard und dann natürlich mit Ransmayr, Hochgebirgstouren. Das mit den Händen hinter dem Rücken mache ich auch, das ist natürlich eine Alterserscheinung, aber ich finde das ganz toll. Es wirkt so flaneurhaft, man nimmt dann die kleinen Juwelen des Alltags wahr: eine brennende Mülltonne hier oder Leute, die sich vor 20 Jahren vom Arbeitsmarkt verabschiedet haben, dort. Darum hätte Hawaii für mich überhaupt keinen Reiz. Und die Nummer "Ich springe mal kurz beim Spaziergehen ins Wasser" sollte dort auch gut überlegt sein. Mir hat ja mal – war denn Helmut Lang ein Österreicher? ja? – eine Welle meine Helmut-Lang-Brille von den Ohren gespült, und weg war sie! Die trägt jetzt irgendeine seltene Fischart.
STANDARD: Steht seit Ihrer Oberösterreich-Reise wenigstens immer ein Krug Most auf Schmidts Wohnzimmertisch?
Schmidt: Ne, aber das Möschtle kenn ich noch aus Schwaben, wir haben dort ja auch selber gmoschtet, man hatte ein Grundstück mit Äpfeln. Das ist heute wieder massiv im Kommen bei den Elternzeitfamilien, wo man die eigenen Äpfel in die Moschterei bringt und durch hochmodern transparente Röhren zuschaut, wie der Moscht gemacht wird, also mehr regional und nachhaltig geht nicht. Die eigenen Gläser werden auch gleich mitgebracht, die idealerweise ein Freund herstellt, der früher Investmentbanker war und jetzt im Schwarzwald das Haus der Eltern übernommen hat.
STANDARD: Lässt sich Harald Schmidt gerne sagen "Iss doch noch was!"?
Schmidt: Ich kenne das natürlich von früher: "Iss Rote Beete, die bildet Blut!" Meine Oma war Kantinenköchin in einer Möbelfabrik in Neu-Ulm, und da gab’s Fleischpflanzerl, aber nie unter 50 Stück: Das hieß dann: Schaut’s, ich hab euch schnell was Kleines gmacht! Magst noch was?" "Danke, ich bin satt!" Bumms, gleich nochmal vier auf den Teller. Und natürlich die Androhung: "Die armen Kinder in Afrika wären froh, wenn sie Fleischpflanzerl hätten!" Gerne auch: "Iss auf, oder es soll morgen regnen!" Heute höre ich mich selbst nur noch Elternsätze zu meinen Kindern sagen: "Stell doch den Teller gleich in die Spüle und nicht einfach daneben!" Mir werden auch jetzt erst viele Sätze meiner Eltern klar, weil es nicht ohne diese Sätze geht. Es macht auch Spaß!
STANDARD: In Ihrem Interview mit Peymann, das im Buch abgedruckt ist, kamen Sie kaum mal zu Wort.
Schmidt: Und das hat mir unglaublich gefallen, ich hätte ihn mir noch stundenlang anhören können, weil ich ja alles kannte, wovon er sprach. Da war ich ja noch im Gymnasium, als ich in Stuttgart seine Uraufführungen von Minetti und Kant sah, ich habe wirklich diesen ganzen Bernhard-Peymann-Weg als Zuschauer verfolgt. Er hatte auch während dieser drei Stunden, während wir da beim Ecker im 19. Bezirk saßen, die Antennen immer nach hinten raus, also der redet mit mir, schaut gleichzeitig nach hinten und sagt: "Was ist das? Ah, ein schwarzer Vogel!" Und redet dann wieder von Bernhards grünem Mercedes. Verglichen mit Joe Biden ist er ein Hochleistungssportler!
STANDARD: Mittlerweile lieben ihn die Wiener.
Schmidt: Früher dachte er, Österreich wäre eine Unterabteilung von Bayern, aber mittlerweile ist er ein totaler Fan, und ich glaube, er ist so mit der akzeptierteste Piefke, er passt für mich sehr gut in dieses Wiener System rein, als diese Figur.
STANDARD: Sie sind ja auch mal mit Gert Voss im Pool vom Franzi Heller am Gardasee geschwommen.
Schmidt: Ja, und zwar in der Badehose, die er zuvor schon mal David Bowie zum Schwimmen geborgt hat, ich war ja nicht vorbereitet darauf. Voss war ja immer mein ganz großes Vorbild, und auch dort wäre die Beobachtung, wie er sich Zucker in den Kaffee schüttet, megainteressant gewesen, weil ich ja nie gedacht hätte, dass ich meinem Idol mal so nahe sein würde. Das war auf keinen Fall ein Kollegenverhältnis, weil was der konnte, das kann ich nicht mal im Ansatz.
STANDARD: Voss sah, wie limitiert Sie als Schauspieler sind?
Schmidt: Wenn Voss wie Zadek gesprochen hat, dann hat er sich wie Zadek angehört, weil er Zadek war. Wenn ich das mache, dann bleibt das immer Parodie. Ich bin dann aber auch zu verwöhnt von dem, was ich bei Topschauspielern sehe, als dass ich da in der dritten Reihe als Lear rumstolpern wollte.
STANDARD: Gardasee mit Swimmingpool oder Oberösterreich mit Traunsee?
Schmidt: Oberösterreich! Ich mochte sehr, wie offen dort geredet wird. Und es liegt auch günstig, ich wäre schnell in München, in Salzburg, in Wien. Gardasee ist dann doch voll von deutschen Rentnern.
STANDARD: Bernhard hätte nach wie vor guten Stoff, Österreich stolpert von einem Skandal in den nächsten.
Schmidt: Das verfolge ich wie den Spielplan vom Theater in der Josefstadt. Da stellt sich immer so eine leichte Enttäuschung bei meinen Gastgebern in Österreich ein, weil ich nicht empört bin wie sie. Ich sag dann immer: Wir lieben das doch an euch, deswegen kommen wir zu euch! Ihr seid so korrupt wie andere auch, aber ihr habt auch noch die Hofburg! Und die Lipizzaner! Wenn ich die heute google, dann sehe ich vier Seiten: Skandal!
STANDARD: Wir alle gehen dem Ende entgegen – wird’s Frittatensuppe zu Ihrem eigenen Leichenschmaus geben?
Schmidt: Ich sag’s meiner Familie immer auf Schwäbisch: Wenn mir der Arsch zuschnappt, macht, worauf ihr Bock habt! Aber bitte kein Aufwand! Und wer weiß schon, ob es noch was zum Verabschieden gibt? Ich könnte ja auch auf einem vom ZDF bezahlten Fernflug, der plötzlich in Turbulenzen kommt, verloren gehen. Oder auf Hawaii kommt ein Hai auf mich zu, mit meiner Helmut-Lang-Brille auf, und meine letzten Worte lauten: "Da ist sie ja!"
(30.1.2022 im Standard ALBUM)
https://www.brandstaetterverlag.com/buch/in-der-frittatensuppe-feiert-die-provinz-ihre-triumphe/