Brautmoden Monalisa
Foto: Brautmoden Monalisa
Im sechsten Bezirk nahe des Gürtels liegt eines der größten Brautmodengeschäfte der Stadt. Ein Besuch
03.05.2017 im NEWS
Guter Duft ist wichtig
In beinahe allen Räumen seines Geschäftes hat Herr Besim Yildiz Raumluftsysteme angebracht, auf den Toiletten sowieso, aber auch in den Umkleidekabinen und in der Schneiderei. Denn guter Duft ist wichtig, wenn man Brautmode verkaufen möchte, und ein gutes, gepflegtes Äußeres sowieso. Daher trägt er selbst heute einen Duft von Versace zu weißem Hemd und schwarzer Stoffhose, in seinem gesamten Leben hätte er „vielleicht zwei Jeans besessen“, erzählt der 41jährige Gentleman lachend in seinem Büro.
Dort hängt natürlich auch ein Dispenser über einem großen, schwarzen Schreibtisch, an dem zwei riesige, weiße Ledersessel stehen. Wer in Brautmode macht, der umgibt sich scheinbar selbst gerne mit den Farben Weiß und Schwarz, obwohl „Ganz in Weiß“, wie noch Roy Black gesungen hat, heute kaum eine Braut mehr heiratet. Für zukünftige Gattinnen geht der Trend längst in Richtung „Ivory“, also Crème, und für den Bräutigam langsam in Richtung Blau. Daher vielleicht die Flasche Blue Label Whiskey, die in einer Ecke des Büros steht, zusammen mit den Naschereien in Rot. Auf dem Schreibtisch liegt ein hoher Stapel mit „To-do“ Listen, die es abzuarbeiten gilt, es ist Mitte Mai, und Herr Yildiz hat ein bisschen Wonnemonatstress. Gerade wurde eine Kooperation mit dem ÖAMTC fixiert, dessen Mitglieder bei ihm nun 15 % Nachlass für ihre Fahrt ins Eheglück bekommen.
Sein Büro liegt im ersten Stock des Brautmodengeschäfts Monalisa am Wiener Mariahilfergürtel, neben der Schneiderei und dem Lager. Dort hängen alleine für diesen Tag zwölf Brautkleider, die entweder abgeholt werden oder auf eine zweite, vielleicht auch dritte Anprobe warten. Geht man die Stange entlang, hängen zehn Meter weiter die Kleider für den Juni, und ganz am Ende der Stange hängen die drei Kleider, die er bereits für 2018 verkauft hat. Der 18.08.2018, das weiß Yildiz jetzt schon, wird ein ebenso starkes Datum werden wie heuer der 17.07.2017. Der Juli, sagt er, liefe insgesamt gut, der Juni grundsätzlich besser, und der Mai immer noch am besten. Bald aber, sagte er auch, werde der September den Mai als beliebtester Hochzeitsmonat ablösen, und man sollte seiner Prognose besser Glauben schenken. Denn keiner „analysiert“ den Hochzeitsmarkt so aufmerksam wie er.
Herr Yildiz stammt aus einer aramäischen Familie, sein Volk lebt innerhalb der Grenzen der Türkei in der Provinz Mardin. Er ist zehn Kilometer von der gleichnamigen Hauptstadt entfernt in dem kleinen Dorf Anhel geboren, wo der Vater Landwirtschaft betrieb und mit Mode nichts am Hut hatte. Trotzdem sind heute beinahe alle Mitglieder seiner Familie in diesem Bereich tätig. Als Besim 1980 nach Wien kam, war er dreieinhalb Jahre alt, später absolvierte er die Handelsakademie im Zehnten Bezirk und studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Uni Wien. Während der Ferien jobbte er im Geschäft seines Bruders, der Young Fashion verkaufte, Besim schrieb dort Preise aus und gestaltete das Konzept für eine Homepage. Die Geschäfte liefen gut, bis ab 1994 die großen Modeketten nach Wien kamen und der Umsatz plötzlich einbrach.
Yildiz interessierte sich nun selbst dafür, wie man mit Mode noch Geld verdienen könnte. Er betrieb Marktforschung und stieß auf die Zahl von 48.000 Eheschließungen, die es 1994 in Österreich gab. Brautmode schien ihm also ein lohnendes Segment, er schlug seinem Bruder vor, weniger Lederjacken und Jeans zu verkaufen, dafür mehr Brautkleider. Es lief wieder gut, bis 2008 die Umsätze abermals einbrachen und die Zahl der Eheschließungen in Wien auf unerreicht niedrige 7.703 sank. Die Weltwirtschaftskrise hatte allen die Laune verdorben, und gute Laune ist nun mal wichtig, wenn man heiraten will. Sogar noch wichtiger als guter Duft.
Sechs Jahre später übernahm Herr Yildiz trotzdem das Brautmodengeschäft Monalisa und arbeitete sich, wie er sagt, unter die „Top drei“ in Österreich empor, zwei Mal wurde er für den Austrian Wedding Award nominiert. Die angehenden Ehefrauen kommen zu 80 % nach telefonischer Vereinbarung in sein Geschäft, er vergibt Termine im 90-Minuten Takt, der Kalender ist voll. Die Damen sind 18 bis 30 Jahre alt („Orient und Balkanländer“) oder zwischen 30 und 45, wenn es sich um „Westeuropäerinnen“ handelt. Freitag und Samstag, sagt er, wären die stärksten Tage, da seien die 16 Mitarbeiterinnen des Geschäftes in vollem Einsatz.
Zum ersten Termin nähme die Braut immer die beste Freundin mit, die meist auch ihre Trauzeugin sein wird. Zum zweiten Gespräch käme dann noch die Brautmutter mit, und zu einem möglichen dritten die Schwiegermutter, spätestens dann werde entschieden. Manchmal braucht es aber auch noch die Omi, die zum vierten oder fünften Termin mitkommen muss, sie hat dann immer ein Kuvert in der Hand, aus dem sie das Geld für das Kleid zaubert.
Konkrete Vorstellungen, sagt Yildiz, hätte am Anfang keine Braut von ihrem Kleid. Daher lässt er sie in den zwei Mappen mit den abgebildeten Modellen blättern, die er jeweils zwischen April und Juni nach den großen Messen in Amsterdam, Düsseldorf, Mailand und Paris bestellt, über 400 Stück hängen dann in seinem Schauraum. Die Marken heißen Cosmobella, Orea Sposa, Miss Kelly oder Divina Sposa, besonders nachgefragt werde gerade der „transparente Tattoo-Efekt“, Stickereien auf zarter Spitze. Von zehn Damen entscheidet sich nur eine sofort für ein Kleid, die anderen nehmen sechs bis acht Kleider in die engere Wahl, die dann probiert werden müssen. Fotografiert werde dabei mittlerweile ständig, die Fotos müssten sofort an die Sozialen Netzwerke verschickt werden. Überwiegend werde schulterfrei geheiratet, manchmal im Carmenschnitt, allermeistens im A-Linien-Schnitt, seltener im Meerjungfrauenstil. Dieser würde eine nahezu perfekte, jedenfalls eine sehr schlanke Figur verlangen. Die meisten Damen jedoch, umschreibt er es wie ein Gentleman, wären heute „etwas stärker“ gebaut.
Das ist natürlich auch Christine schon aufgefallen, die seit 25 Jahren im noblen Salon Flossmann in der Wiener Innenstadt arbeitet, zwischen Jazzclub und einem Caféhaus für Alte Opern gelegen. Hier gibt es keine Auslage, der Salon liegt im Mezzanin eines altehrwüdigen Hauses. Abends werden bei Flossmann die Räume privat, also „privé“, für € 200 vermietet, da wäre die Atmosphäre dann noch einmal eine Spur entspannter, Champagner trägt ohne Zweifel zur Entspannung bei.
In jeder der zahlreichen Kabinen hängt ein Morgenmantel, der verwendet wird oder auch nicht, die eine Braut lugt verschämt zwischen den Vorhängen hervor und bittet um ein weiteres Kleid, die andere läuft unbeschwert und halbnackt herum. Fernsehsendungen wie „Zwischen Tüll und Tränen“ würden ihren Teil dazu beitragen, dass Freundinnen, welche die Braut begleiten, mittlerweile mit Wertungstaferln die Wahl des Brautkleides beeinflussen. Dazu käme ein sich durch das Internet veränderndes Kaufverhalten, wonach man alles zurückgeben oder irgendwie wieder rückgängig machen könne, wofür man sich gerade entschieden hat, der Entscheidungsprozess dauere nun etwas länger. Obendrei müssen die Locations immer ausgefallener werden: ein Schiff, ein Schloss, das Riesenrad oder mindestens das nahegelegen Palais Coburg sollten es schon sein, ein eigenes Weingut ist von Vorteil. Sangesbarde Andreas Gabalier schiebt Christine einen Trend zur Trachtenhochzeit in die genagelten Schuhe, den er vor vier bis fünf Jahren ausgelöst hätte, der aber mittlerweile wieder verebbt sei. Die ganz großen, sich abwechselnden Trends gäbe es nicht mehr, sagt sie, und wie auch? Hochzeit bleibt Hochzeit. Mal soll es halt ein bisschen Vintage sein, mal ein bisschen schlichter, aber was nie aus der Mode kommt, das wäre der Wunsch, wie eine Prinzessin zu heiraten.
Als entspannt und „ausgesprochen kolleglial“ bezeichnet sie das Verhältnis zu Mitbewerbern wie Herrn Yildiz, der Taktgefühl sowie Einfühlungsvermögen ebenfalls zu seinen Grundtugenden zählt. Wenn ein Kleid bei der Probe zu eng ist oder zwickt, dann schiebt er die Schuld immer auf „die Franzosen, die sehr eng schneidern“ würden, und empfiehlt stattdessen etwas von „den Amerikanern, die etwas größer arbeiten“. Auch ausgefallene Wünsche werden, soweit möglich, immer erfüllt. Das blaue Hochzeitskleid einer Dame, die eine sehr große Größte brauchte, mussten seine Näherinnen aus zwei identischen Kleidern zusammennähen. Als die Kundin dann aber vor Freude weinte, weil sie als Braut so schön aussah, freute er sich auch.
Wäre noch das Thema Hygiene, das seiner Meinung nach auf der „To do“-Liste so mancher Dame ein paar Positionen weiter nach oben rücken sollte, Herr Yildiz beginnt sein Statement dazu so: „Wenn ich um 10 Uhr einen Termin habe, dann müsste ich doch …“ Aber der Gentleman seufzt dann nur und beendet den Satz erst gar nicht, sondern erklärt lieber, warum er während der 90minütigen Gespräche keinen Sekt mehr anbietet. Wobei es ihm nicht um die 150 Flaschen pro Monat geht, die er nun nicht mehr kaufen muss, sondern ausschließlich um die Wahrung des Anstandes. Manche Brautjungfer hätte dabei nämlich angefangen, grundlos zu kichern, und manch andere wäre irgendwann betrunken gewesen „wie nach einer Nacht in der Passage um 4 Uhr früh“.
Warum aber wird nun der September den Mai als liebster Hochzeitsmonat ablösen? „Westeuropäer“, sagt er, würden seiner Erfahrung nach für ca. 100 Gäste 15 bis 20000 Euro pro Hochzeit ausgeben, orientalische Familien und solche vom Balkan würden nie weniger als 250 bis 1000 Gäste einladen und dafür 50.000 bis 150 000 Euro hinblättern. Aber das Geld sitze heute nicht mehr ganz so locker, und Schlösser sowie andere Hochzeitslocations wären nun mal ab September billiger zu haben.
Keine Geldsorgen hingegen müssen sich Oligarchen aus dem Osten machen. Einer von denen rief ihn neulich an und bestellte nach Studium seiner Homepage ein Kleid für die zu heiratende Holde. Anschließend kam er mit einem Victoria Beckham Kleid ins Geschäft, das als Vorlage für die Änderungen am Brautkleid dienen sollte, die Zukünftige war wohl sehr schlank. Er kam dann noch einmal und nahm ein zweites Kleid mit, nur für den Fall, dass das erste der Braut nicht gefallen würde und sie es während der Trauung auf den Malediven wechseln wollte. Für sich selbst kaufte er dann einen hellblauen Anzug, weil er schon mal da war, dazu Manschettenknöpfe und Krönchen für die Kinder aus erster Ehe, alles Tax free, versteht sich, er war sehr zufrieden, und Herr Yildiz war es auch.
Abschließend fällt ihm noch die Geschichte mit dem Chihuahua ein, der die Brautringe durch den Kirchengang nach vorne zum Altar tragen sollte. Es ist nicht überliefert, ob ein Fleischhauer in der Kirchenbank saß, der seinen Wurstgeruch nicht von den Fingern kriegte und dadurch vielleicht die feine Nase des kleinen Hündchens verwirrte und seinen Weg umleitete. Ein paar günstig angebrachte Dispenser in jeder Kirche würden solche Eventualitäten jedenfalls verhindern. Die Pfarrer könnten diesbezüglich Herrn Yildiz kontaktieren, der vielleicht am besten weiß, wie wichtig ein guter Allgemeinduft für eine gelungene Hochzeit ist.