Bundesbad Alte Donau

Foto: Manfred Rebhandl

Bevor am 1. Mai die Badegäste kommen, muss das Bundesbad Alte Donau geputzt und geschrubbt werden. Ein Saisonvorbereitungsbesuch

30.04.2019 im NEWS


Vorbereiten auf den Sommer

Früher, erzählt Frau Beicht, als sie mich durch „ihr“ Bad führt, hätten sich die Leute gar nicht hierhergetraut. Das war nämlich ab 1919 eine „Militärschwimmschule mit dem Ziel der Abhärtung und Disziplinierung“, vielleicht lag es ja daran. Ab den 70er Jahren hieß die Anlage dann „Bundesbad Alte Donau“, was wiederum allzu offiziell klang. Es sollten sich hier vornehmlich die schwer arbeitenden Bundesbediensteten und deren Angehörige erholen, noch heute erwartet daher manch feine Dame aus diesen Kreisen, entsprechend begrüßt zu werden: „Grüß Sie, Frau Doktor! Küss die Hand, Frau Kommerzialrat!“ „Der Horsti“ konnte das besonders gut, er war hier einst Bademeister und so etwas wie eine Legende. Aber er ist nicht mehr im Dienst.

Dafür ist nun „der Fritz“ an ihrer Seite, ebenfalls Bademeister und auf dem Weg, eine Legende zu werden. Braun gebrannt im Gesicht und mit einem Cowboyhut über den tiefblauen Augen ausgerüstet, der seinem mehr als festen Händedruck noch etwas zusätzlichen Nachdruck verleiht. Der Fritz hat gerade zwei Wochen lang mit dem Federbesen die 4,5 Ha Rasenflächen von herabgefallenen Ästen und kleineren Asterln gesäubert. Bald wird er noch einmal die gesamte Rasenfläche mähen und die 170 Laufmeter Hecke stutzen, bevor es am letzten Samstag im April endlich losgeht. Der Rasenschnitt und die Äste kommen in eine der 20 Biotonnen, die wöchentlich geleert werden müssen. Und zusammen mit seinen Kollegen verteilt er dann noch die zehn 1100 Liter-Tonnen auf dem Gelände sowie 45 normale Mülltonnen, möglichst eine bei jeder Sitzbank. Wenn der Betrieb dann läuft, müssen die Tonnen dann jeden Abend geleert werden, sagt der Fritz, „sonst kommen die Krähen und verteilen wieder alles.“

Es ist Putzzeit im Bundesbad, und bevor dann täglich bis zu 5000 Gäste hereinströmen werden, muss noch alles für die zahlreichen behördlichen Abnahmen hergerichtet und sauber gemacht werden, 40 Toiletten und 26 Duschen müssen dann glänzen. Der Fritz hat gerade noch 18 m3 Schotter am Strand verteilt, am Spielplatz musste das Piratenschiff geprüft und der Fallschutz unter den Schaukeln erneuert werden. Seit fünf Jahren gibt es auch W-LAN, das auch wieder mehr junge Leute hierher lockt, die liegen dann unter den hohen Bäumen und surfen im Netz anstatt im Wasser. Hängen irgendwo Äste herunter, die jemanden erschlagen könnten, muss der Fritz das noch schnell melden. Die Betreuung der schattenspendenden Riesen wurde schon vor langem an eine Fremdfirma ausgelagert, 290 Bäume sind in einem Kataster erfasst, mehrheitlich sind es hohe Pappeln, ein paar Linden und Weiden, dazu eine Föhre und eine Fichte. „Und irgendwo zwei Zierkirschen“, weiß der Fritz. Das Befestigen von Hängematten oder Slacklines zwischen den Bäumen hat man den jungen Leuten aber gleich wieder abgewöhnt. Bei zu starkem Wind wird das Bad auch mal gesperrt, damit keiner erschlagen wird.

Auch heute weht eine sehr steife Brise flußabwärts. Es ist der Dienstag nach Ostern, und die Schwimminsel am unteren Ende des Geländes, von der die Kids dann ins Wasser springen werden, liegt noch am Ufer, inmitten von abeschnittenen Algen. „Das Wasser der Donau hat hier Trinkwasserqualität“, sagt Frau Beicht, jedenfalls, wenn man nicht gerade neben der Kinderrutsche „Turtle“ in der Nähe des Restaurants einen Schluck davon nimmt. Das Bad wird über die Filteranlage an der Neuen Donau gespeist, und zu Beginn der Saison liegt der Wasserpegel um 25 cm unter dem während der Hochsaison im Juli. Den Algenschnitt erledigt „der Hofbauer“, der ein paar hundert Meter weiter unten seine Segelschule betreibt. Der braucht den Wind für seine Schüler, im Sommer sieht man dann vom Bad aus die Segler und Surfer draußen jenseits der Bojen auf und ab fahren, mal schneller, mal langsamer. „Und manchmal“, erzählt der Fritz, „verhängt sich einer in den Leinen der Bojen“. Dann hilft er ihm, damit er wieder in den Wind kommt.

Die gelben Bojen muss der Fritz dann auch noch irgendwann anbringen, 23 sind es draußen in der Mitte der Alten Donau, wo es viereinhalb Meter hinunter geht, der Fritz ist auch Taucher und macht das selbst. Flußaufwärts grenzt das Bundesbad an das gemeindeeigene Arbeiterstrandbad, dessen Hoheitsbereich wenig überraschend mit roten Bojen gekennzeichnet ist. Für die Sicherheit der Schwimmer sind nach wie vor die Badewaschel verantwortlich, nur dass sie mittlerweile ebenfalls ausgelagert sind und „Security“ heißen. Sie müssen den Wasserrettungsschein haben und in Erste Hilfe geschult sein, meist geht es um Kreislaufprobleme, Bienenstiche oder Schürfwunden infolge von Stürzen. „Zu gröberen Zwischenfällen kommt es praktisch nie“, erzählt der Fritz, und Aufregung gäbe es höchstens mal, wenn am Abend eine Gattin anruft und fragt: „War mein Mann heute bei euch?“ Liegt dann der Autoschlüssel des Gesuchten noch im Kästchen, muss er auch mal eine größere Suche veranstaltet werden, aber die meisten findet er nicht tot im Wasser, sondern ein bisserl angeschlagen drüben am anderen Ufern, wo sie an einen Würstelstand angedockt und die Gattin vergessen haben.

„Die Ersten, die jeden Tag ins Bad kommen“, erzählt Frau Beicht, sind die ambitionierten Schwimmer. Sie legen ihr Badetuch ans Ufer und ziehen stundenlang ihre Bahnen, 250 Meter flußaufwärts und wieder 250 Meter zurück, beobachtet von den Schwänen, die sich vor Jahren hier angesiedelt haben. Mit den Erholungssuchenden wollen die eifrigen Schwimmer nichts zu tun haben, und doch ist das Bundesbad ein „stressfreies Entspannungsbad.“ Die Leute hielten sich auch mehrheitlich an die Regeln, versichert Fritz, und wenn mal einer doch nicht, dann pfeift er halt laut und verordnet eine Viertelstunde Abkühlung unter einer Pappel. Wer sich dort wieder beruhigt, der darf bleiben, wer nicht, der soll nächsten Tag wieder kommen. „Wir haben jedenfalls keine Probleme mit Seitlich-ins-Becken- springen“, lacht er zufrieden. Auch gäbe es keine testosteronbedingten Probleme wie regelmäßig drüben im Stadionbad.

Frau Beicht sitzt normalerweise in der windstillen Burghauptmannschaft Österreich im Ersten Bezirk, während „der Fritz“ jeden Tag vor Ort ist. Sie kümmert sich um die Verwaltung des Bades, das 2001 von der Bundesbaudirektion in ihre Zuständigkeit übergegangen ist. Seit dieser Zeit hat sich der Zustrom der Gäste stets erhöht, und irgendwann vor zehn Jahren tauchten plötzlich auch wieder junge Familien mit ihren Kinderwägen auf. Der Eingangsbereich mit den zwei Kassen, von denen eine immer besetzt ist und die andere im Bedarfsfall, entsprach zwar der ÖNORM, jedoch paßten die SUV-Kinderwägen irgendwann nicht mehr durch. Also wurde der gesamte Eingangsbereich erneuert, und nun gibt es auch eine Überdachung, welche die Wartenden, die oft in fünfzig Meter langen Schlangen an der Arbeiterstrandbadstraße stehen, vor der Sonne schützen sollte. Die Sonne hat aber die Angewohnheit, westwärts zu wandern, und so brennt sie den Wartenden ab dem frühen Nachmittag trotzdem wieder ins Genick. Aber Hauptsache, der Architekt konnte sich verwirklichen.

Keine Wartezeit gibt es hingegen für die Saisonkartenbesitzer und die Nutzer der 257 Dauerkabinen in den Blöcken M und N, die man für € 315 jährlich mieten kann. Vier Personen dürfen diese mitbenützen, und die Warteliste dafür wird auch jedes Jahr länger. Von den kleineren Kästchen in den Blöcken K und L sind 650 dauerhaft vergeben, auf den Liegeflächen stehen allen Gästen 90 Holzliegen und 80 Plastikliegen zur Verfügung. Wer lieber sitzt, geht ins Restaurant.

Das wurde vor zwei Jahren von der Firma Bitzinger übernommen, die auch den Augustinerkeller und den Würstelstand bei der Oper betreibt. „Die Burghauptmannschaft wollte hier eine etwas vielfältigere Karte“, erklärt Juniorchef Philipp, jedenfalls mehr Salat. Es kommen halt auch immer mehr neue Österreicher, und anstatt darüber zu maulen, paßt er sich den Wünschen der neuen Gäste an: Orientalischer Teller mit Hummus, Tomaten und Schafkäste kommt nun ebenso gut an wie das Pulled Pork. Der klassische Schweinsbraten bei 30 Grad im Schatten reicht heute einfach nicht mehr. Im hauseigenen Kräutergarten gedeihen obendrein die Zutaten für die Limonade und der Rosmarin für die Grillhendl, die nicht zuletzt deswegen so gut schmecken würden. Im nur 15 Hendl fassenden Griller bruzeln sie dann vor sich hin, bis sie im Magen der Gäste verschwinden. Die dicken und eher weißen statt gelben Pommes aber, die von den Kindern während der ersten Saison des neuen Betreibers für nicht so gut und von den Eltern als zu teuer empfunden wurden, werden nun wieder so schmal und gelb aus der Fritteuse kommen, wie sie im Freibad nun mal sein müssen.

„Der Dreier ist die magische Zahl“, weiß Bitzinger Bescheid, wenn er über das schwankende Gästeaufkommen redet.  „Bei 28, 29 Grad verbringen Sie hier einen warmen, ungestörten Tag. Ab 30 Grad aufwärts aber kommen bis zu 5000 Gäste, und manch einer von denen wird dann auch mal ungeduldig, wenn er in der Schlange steht, und dann hört man hier auch mal: „Zweite Kassa!“ Oder gar die dritte, die bei der Eistruhe steht. Noch ist der Betrieb nicht umweltzertifiziert, aber bald wird er es sein. Nachhaltigkeit ist Bitzinger und seiner Schwester, mit der er zusammenarbeitet, wichtig. Die Zuflieferer sollen möglichst in der Nähe beheimatet sein, die Trinkbecher und –tatzerl vorschriftsmäßig verfaulen. Eines aber bleibt immer gleich: „Wenn ich am Freitag keine gebackene Scholle anbiete, dann brauche ich am Samstag gar nicht mehr aufsperren.“ Das Bier zur Scholle kommt aus Tschechien und heißt Jezek, es gehört zu einer Vereinigung von fünf kleinen Brauereien, die allerdings mittlerweile von einem Anwaltskonsortium übernommen wurde. Das heißt erfahrungsgemäß nichts Gutes für deren Unabhängigkeit.

Die Zeiten ändern sich halt überall, nur nicht im FKK-Bereich, der versteckt und beinahe zugewachsen hinter dem Restaurant liegt, umgeben vom Schilf. Wer dort vor dem Eingang steht, der kommt nach links zu den Herren und nach rechts in den größeren Bereich der Damen, die Steinmauer dazwischen wird wohl noch ein paar Jahrhunderte stehen. Bewahrende Kräfte, die von anderen Gästen der „Schlangengrube“ zugeordnet werden,  widersetzen sich jedem Vorschlag zur Änderung, es herrschen dort Zustände wie am Swimmingpool in Mallorca: „Meine Liege! Mein Handtuch!“ Die festgefahrene Ordnung soll durch möglichst Nichts und schon gar nicht durch Neues gestört werden. Nacktbadeaffine junge Pärchen, die gerne zusammen liegen würden, werden von der Mehrzahl der älteren, tief gebräunten Damen nicht geduldet. „Und daran wird sich auch nichts ändern“, sagt Frau Beicht. Nur der Fritz darf auch in der Badehose zu den Damen hinein, wenn mal irgendwo was klemmt, ein Wasserhahn tropft oder eine Blume zu hoch wächst. Natürlich nur nach vorheriger Ankündigung durch lautes „Hallo! Ich komme jetzt rein!“-Rufen.

„Ein Deutscher“, erzählt er dann noch, während er seinen geliebten Kubota B2410 besteigt, ohne den er diesen Job nicht machen würde, „ein Deutscher hat vor fünfzehn Jahren hier in Wien studiert. Und nun nimmt er sich jedes Jahr eine Woche Urlaub, mietete sich in einem Hotel ein und kommt jeden Tag zu uns, auch wenn es regnet.“ Und damit es der Deutsche wieder schön hat heuer, geht der Fritz nun die Hecke stutzen. Es gibt noch viel zu tun.

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“Eine Mutter schafft alles.”

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Flucht vor der Russischen Revolution