Schonnson damur

Aus dem Leben eines Superschnüfflers


Einmal im Jahr, meistens im Juni, wollte uns Kubelka zum Tanzen mitnehmen, weil er der Meinung war, dass uns das gut tun würde. Dabei meinte er nicht, dass wir in Rockin´ Ronnies Texas Tabledance nackten Frauchens beim Stangentanz zuschauen sollten, sondern er meinte, dass wir Eng-Tanzen sollten.

Wir alle waren aber ausgesprochen reserviert dem Tanzen gegenüber, und Dirty Willy, der aus einer bäuerlichen Wirthausfamilie stammt, steht dem Tanzen sogar feindlich gegenüber. „Wenn der Alte zum Beispiel für ein paar Tage mit seinem Zuchteber Archie in der Beiwagenmaschine zur nächsten Landwirtschafts­messe gefahren ist“, erklärt er uns seine Abscheu vorm Tanzen, „dann hat mich die Mutti nicht zu sich ins Bett geholt und mich lieb gehabt, sondern sie hat mich in die Selchkammer gesperrt. Und zwar mit einer Kiste Bier gegen die Einsamkeit und einer zweiten gegen den Flüssigkeitsverlust!“

Bis zum Gabelfrühstück hat sie ihn dort nicht mehr herausgeholt, weil sie die ganze Nacht lang auf einem der Wirthaustische getanzt hat und von Schonnson damur und Schonns elisee ge­träumt hat und vom Schonn Gabönn, sie hatte so eine Sehnsucht nach allem, was Französisch war. Während seinem Alten die Schweine im Kobel und das Kraut im Bottich genügt haben, schwang die Alte lieber das sulzige Tanzbein in der Wirtsstube oder gerne auch auf den Tanzveranstaltungen der näheren Umgebung, und irgendwann träumte sie von Paris. Gegen das dunkle Gemüt vom Alten hat sie ihren lichten Bewegungsdrang gestellt, und gegen seine beschauliche Fliegenfischerei ihre unzähmbare Tanzwut, wegen der sie sogar ihren Büstenhalter verbrannt hat. Als Erste überhaupt weltweit, weil der Büstenhalter beim Tanzen natürlich gestört hat.

In der Selchkammer des Dorfgasthauses hatte Dirty Willy dann weiß Gott Zeit genug, das Tanzen hassen zu lernen. Schließlich hat die Alte die amerikanischen Besatzungssoldaten mit ihren Tanzeinlagen nicht nur unterhalten. Sie hat sich sogar bis auf die Knochen blamiert, als sie sich irgendwann schwarz anmalte und aus gelben Maiskolben einen Rock bastelte, „Bananen haben wir damals ja nicht gekannt!“ Solcherart verkleidet ist sie dann auf den Tisch gestiegen und hat getanzt wie die doppelt und dreifach Gestörte, daher Dirty Willys verständliche Abneigung gegen das Tanzen.

Seine Wut auf die tanzende Mutter haben in der Folge natürlich die Zehen der angebeteten Mädchen zu spüren bekommen, mit denen er als Heranwachsender dann durchaus versuchte, über den Tanzboden zu fliegen. Jedoch nicht, weil er den Samba im Blut gehabt hat oder den Rumba, sondern den Marillenschnaps. Und seine Tanzschritte hießen nicht „Links, Zwo“ oder „Drei, Vier“, sondern „Rache“ und „Wut“. Wer heute genau hinschaut, sagt Dirty Willy nicht ohne Wehmut, der kann im Tal, in dem seine Wiege stand, noch heute die eine oder andere in die Jahre Gekommene mit Holzstock herum laufen sehen. Und sobald das Wetter umschlägt, erkennt sie jeder als Dirty Willys ehemalige Tanzpartnerinnen, weil dann ihre Schmerzen in den von seinen Elefantenfüßen ruinierten Zehen vollkommen unerträglich werden.

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