Harald Sicheritz
Der kleine Harald hat sehr viele Bücher gelesen", erzählt der große Harald, "denn der hatte eine ganz böse Krankheit am linken Oberarm und musste zwei Jahre lang ein Oberkörperkorsett tragen." Fußball und andere aufregende Tätigkeiten waren ihm versagt, was blieb, waren die Bücher. Zu dieser Zeit, Anfang der 1960er-Jahre, wurde sein Vater auch Linienpilot bei der AUA, und weil der in der Schule kein Englisch gelernt hatte, musste er das nachholen. Er tat dies mithilfe zahlreicher englischer und amerikanischer Abenteuerromane, der Bub lernte fleißig mit und konnte vor dem Einschulen schon ein paar Sätze. Hin und wieder mitfliegen zu dürfen war aber natürlich noch aufregender als Englisch lernen, "denn Fliegen war damals ein Luxus".
Drehbücher und Laufbilder
Die Entscheidung für die Laufbilder war dann keine gegen die Literatur, wenngleich er als Regisseur vor allem Drehbücher lesen musste. Glücklicherweise wenig Schrottware, "denn ich habe über die Jahre immer mit den besten und angenehmsten Menschen zusammengearbeitet, die auch wunderbare Schreiber waren. Zunächst der Ernst Hinterberger, der zwar kein klassischer Drehbuchautor war, aber ein wunderbarer Geschichtenerzähler, dann mit dem Felix Mitterer oder der Susanne Freund, alles sehr gute Autoren."
"Valery Tscheplanowa, Tochter einer Russin, die Deutschdolmetscherin war, habe ich als sehr kluge Frau kennengelernt, als sie bei mir in mehreren Staffeln Vorstadtweiber eine streetwise Russian Woman spielte." Während der Corona-Jahre pausierten die ORF-Dreharbeiten, und Tscheplanowa begann ihren Roman zu schreiben, der ihn begeistert. "Ich mag, wie sie in klaren, schmucklosen Sätzen unglaublich poetisch ist. Es geht um ihre Familie im Realsozialismus, und das ist sehr lustig, teilweise bizarr, aber immer total schön erzählt, nicht wehmütig, nie anklagend. Ein Familienmosaik, das aber nicht kompliziert ist. Einfach großartig." Er selbst fuhr 1984 während einer Reise für junge Journalisten nach Kiew, Moskau und Leningrad. Im Vergleich zu heute war das eine ruhige Zeit.