Was passiert mit alten Bahnschwellen?
Foto: Rebhandl
Die ÖBB sammelt alte, ausgebaute Schwellen am Standort Linz-Wegscheid. Manche werden sogar als Baumaterial wiederverwendet. Ein Lokalaugenschein
18.05.2025
Jürgen Kernstock (54) ist Standortleiter des RVA, des Fertigungscenters Recycling-Verwertung-Aufarbeitung, in Linz-Wegscheid. Er hat bei den ÖBB Maschinenschlosser gelernt und sich nach Absolvierung der Abendschule und zahlreicher ÖBB-interner Ausbildungen vor 15 Jahren um diese Position beworben. "Das Schienenwerk in Wörth und jenes in Zeltweg gehören auch zum RVA", erklärt er. "In allen drei Oberbauwerken beschäftigen wir 55 Mitarbeiter, 15 von ihnen arbeiten hier, wohin sowohl alle Holzschwellen als auch alle Spannbetonschwellen rückgeliefert werden, die von den ÖBB aus dem Schienennetz ausgebaut, bei uns zwischengelagert und aufgearbeitet werden."
Pro Jahr sind es etwa 170.000 Holzschwellen und rund 100.000 Spannbetonschwellen, die reinkommen. Es geht um bis zu 70 Waggons pro Tag – je nach Großbaustellen, die man versucht, in die Ferienzeit zu legen, wenn möglichst wenige Pendler unterwegs sind.
Der Einbau neuer Holzschwellen ist dabei stark rückläufig. "Im Verschubbereich brauchen wir immer noch welche und bei ganz engen Radien auf Bergstrecken", erklärt Kernstock. Es wären Spannbetonschwellen, die seit den 80er-Jahren den Stand der Technik bei Eisenbahnschwellen darstellen würden: "Ein vorgespanntes Fertigteilprodukt mit einer Lebensdauer von mindestens 40 Jahren, abhängig von der Belastung der Gleise."
Die ÖBB haben derzeit mit Leube und MABA zwei Lieferanten. Ihre Produkte heißen BE K1 oder BE L2, haben ein Gewicht von 325 Kilogramm und werden entweder im Langbett- oder Kurzbettverfahren hergestellt. Früher hießen sie BE 19 oder BE 14C oder BE 12 und wogen um die 200 Kilogramm.
Buchen und Eichen
"Je schwerer die Schwelle ist, desto besser liegt sie, bevor sie gestopft und gerichtet wird", erklärt Kernstock. Manche Betonschwelle hat unterhalb eine Besohlung, eine Art Gummimatte, die den Zerfall des Schotters zumindest verlangsamen soll. "Die Schwelle", genauer gesagt: "die Querschwelle" trägt bei der Eisenbahn die Schiene, verteilt die Belastung auf das Gleisbett und fixiert die Spurweite von 1435 mm.
Sie bestand lange Zeit aus Buchen- oder Eichenholz, das nach dem Fällen der Bäume im Sägewerk "eingeschnitten" und so lange luftgetrocknet wurde, bis ein vorgegebenes Rohgewicht unterschritten wurde. Danach wurde sie an den Plattenauflagern gehobelt und für die spätere Schienenbefestigung gebohrt. Der Neigung des Holzes, an den Stirnseiten der Schwellen aufzuplatzen und auszufransen, sollen angebrachte Schwellensicherungsmittel wie S-Haken, Krallenbänder, Stahlbandagen, Nagel- oder Kronenbleche entgegenwirken.
Problematischer Holzschutz
Seit etwa 1850 wurde die Holzschwelle vor dem Aufplatten – dem Verschrauben der Rippenplatten mit den Schwellenschrauben – im Kesseldruckverfahren mit dem Imprägnieröl Kreosot behandelt, einem Steinkohleteer-Destillat, das der Schwelle die typische dunkle Farbe gab und sie gegen Pilz- und Insektenbefall schützen sollte. Dieses gilt als für die Umwelt problematisch, wurde aber von der EU bis 2029 weiter zugelassen.
Die ÖBB sind 2023 auf eine alternative Holzschutzvariante umgestiegen, das sich "Sleeper Protect" nennt und zweistufig verläuft: Einer Imprägnierung mit einem wässrigen Holzschutzmittel folgt eine Trocknungszeit von drei Monaten, danach werden die Schwellen mit einem öligen Holzschutzmittel behandelt. "Über die Lebensdauer dieser Schwellen gibt es noch nicht genügend Erfahrungen", sagt Kernstock. "Eine Lebensdauer von 35 Jahren wird jedoch nicht erwartet." Pro Jahr werden noch rund 30.000 Buchenschwellen auf der Strecke und 10.000 Eichenschwellen im Weichenbereich neu eingebaut. Sie kommen meist aus Georgien oder Tschechien.
Alte Betonschwellen werden bei der RVA einer Grobsortierung zugeführt: "Stufe 1 kann man im gesamten ÖBB-Netz wiederverwenden, Stufe 2 in untergeordneten Bereichen", sagt Kernstock. Schwellen der Stufe 3 können von Privaten gekauft und in der Folge in Krainerwänden verbaut werden – einem Verbundsystem, mit dem Geländesprünge baulich überwunden oder Böschungen stabilisiert werden.
"Ist das alte Schwellenmaterial kaputt, legen wir es auf Lager und führen es einer Entsorgung zu, meist in Deutschland." Zerdrückt, geschreddert und pulverisiert kann es dann als Baumaterial wiederverwendet werden. Selten werden auch alte Holzschwellen noch für architektonische Zwecke verwendet – wie gerade beim Bahnhof in Steyr. Noch seltener verschwinden abgebaute Holzschwellen von einer Baustelle, und man sieht sie zum Hochbeet umgebaut in einem Garten. "Das ist Diebstahl, wird geahndet und führt zu hohen Kosten", sagt Kernstock. Und die darin gezogenen Tomaten sollte man besser nicht essen.
"Angelieferte Holzschwellen müssen so schnell wie möglich abgeladen werden", erklärt Kernstock. "Sie kommen als Baustoff rein und werden per Bescheid, die jeder Sendung beiliegt, meist nach Deutschland gebracht, wo sie bei Entsorgern mit entsprechender Berechtigung geschreddert und in Hochtemperaturöfen mit entsprechenden Filtern verbrannt werden."
Der schnelle Umbauzug
Arbeitskoordinator Franz Schaller (60), der seit 1985 in diesem Werk arbeitet, zeigt auf bereitliegende Weichenkomponenten, "die sofort zur Verfügung gestellt werden können, wenn irgendwo im Streckennetz unerwartet eine Störung oder ein Schaden auftritt". Daneben sind neue K1-Schwellen der Firma Leube bereits auf 18 Waggons verladen und warten darauf, als sogenannter "Ganzzug" von einer Lok abgeholt und direkt auf die Baustelle transportiert zu werden. "Dort muss dann nichts mehr verschoben oder verteilt werden, die einzelnen Waggons kann man auf der Baustelle mit Übergangsschienen verbinden, sodass der Schnellumbauzug (SUZ) über die ganze Garnitur fahren und die Schwellen ins Gleisbett einbringen und die ausgebauten Schwellen auf die Waggons heben kann."
Er deutet auf 40 Waggons à 400 abgeplatteter Holzschwellen, von denen man das Eisen bereits entfernt hat. Dies passiert in der Abplattanlage, wo die Schrauben abgeschraubt und die Rippenplatten abgenommen werden. Bis 2016 mussten vier Mitarbeiter die Schraubmaschinen manuell bedienen, bevor sie mit "Europas modernster Abplattanlage" kombiniert wurde. Heute überwacht ein Mitarbeiter den sogenannten "Wendeplatz", wo die Schwellen in die richtige Position gebracht werden. Tausende ziehen täglich an ihm vorbei. Von dort befördern sie Laufbänder zum Scanner, der für die Motoren die genaue Position der Schrauben findet.
Wertvolles Eisen
Die abfallenden Rippenplatten werden automatisch je nach Sorte getrennt und landen in der entsprechenden Schütte. "Pro Schwelle fallen rund 20 Kilogramm Eisenschrott an, der, weil alle Teile gleich sind, zu einem sehr guten Preis verkauft werden kann", sagt Schaller. Die wenigen Schwellen, die von der Maschine nicht entschraubt werden können, werden mitsamt dem Eisen separat entsorgt.
Stets nimmt man auf der Anlage den strengen Geruch der alten Holzschwellen wahr, den sie während 40 und mehr Jahren draußen auf den Gleisbetten angenommen haben. Schaller wird sich noch ein paar Monate um die Schwellen kümmern, dann geht er in Pension. Kernstock hat noch ein paar Jahre vor sich.
Vergangenes Jahr bewarb er das Thema Nachhaltigkeit vor Regionalleitern mit Zahlen und Statistiken zur CO2-Einsparung. "Die meisten Mitarbeiter ziehen aber ohnehin voll mit, wenn es um die Umwelt geht und darum, aus dem Material, das wir ausbauen, etwas zu gewinnen, das man wiederverbauen kann." (Manfred Rebhandl, 18.5.2025)