Beruf: Blumenverkäuferin

Foto: Christian Fischer für DER STANDARD

In einem Blumenstand vor dem Wiener Stadtpark verkauft Frau Carina seit Jahrzehnten Tulpen, Rosen, Gladiolen…


Frau Carina wurde ins Blumengeschäft hineingeboren. Schon der Großvater hatte Gärtnereien, die Eltern hatten eine auf der Simmeringer Haide und eine in Regelsbrunn. Dort hat sie alles gelernt, was eine Floristin können muss, "des kummt afoch mit der Zeit". In Erinnerung geblieben ist ihr, dass die Blumen damals viel stärker dufteten und es diese vielen Farben nicht gab. "Man hat weiße Nelken in den Kübel getunkt und gelb oder orange gefärbt, das war faszinierend." Sie haben Asparagus als Grün verkauft, Rosen ab dem Muttertag, "Freesien und Gerbera und ziemlich viele andere Sachen, die wir selbst in der Kultur gehabt haben. Saisonblumen halt, das gibt’s heute nicht mehr." Und im Winter haben sie Adventkränze gebunden, viele Hundert und immer mit den liturgischen Kerzen drauf, "obwohl eh keiner gewusst hat, wann er die rosane hat anzünden sollen".

Geschäft von früh bis spät

Auf dem Naschmarkt, wo die Mutter später auch einen Stand hatte, durfte Frau Carina als Zwölfjährige mithelfen und hat dabei wie die Standler reden gelernt. "Dort waren ja früher die Wienzeile raus bis zum Flohmarkt fast nur Blumenstände", erzählt sie, und viele Homosexuelle, deren Szene dort war, kauften bei ihr ein und beschenkten ihren Liebsten.

Was sie auch gelernt hat: "Man steht viel als Floristin!", lacht sie. "Außer, es ist viel zu tun, dann musst du rennen, und das ist gscheiter als stehen." Kaum haben sie hier an ihrem Stand beim Eingang zum Stadtpark um sieben Uhr in der Früh aufgesperrt, kommen schon die Ersten, und kurz bevor sie um 19 Uhr wieder zusperren, kommen die Letzten und schreien: "Guad, dass Sie nu auf haben!"

Frau Daniela, ihre Kollegin, saß vor ein paar Tagen bis halb acht auf der Bank, weil zuvor einer vorbeigekommen war und meinte, er hole um kurz vor 19 Uhr noch zwei Rosensträuße ab. "Um viertel acht hab ich mir gedacht, der kommt nimmer." Und um halb acht war sie sich sicher und hat endlich zugesperrt. "Erlebt haben wir hier schon alles", lachen beide.

Ein Rat von Dagmar Koller

Mit 19 hat die Oma der Frau Carina im ersten Bezirk in der Irisgasse den Blumenstand gekauft, der dort neben dem Zeitungs- und Würstelstand war. "Ein Klo noch dazu, und du hättest eigentlich alles gehabt, was du brauchst", lacht sie. Dort stand sie dreißig Jahre lang bei jedem Wetter, wobei ihr die Kälte "ab drei Grad" immer lieber war als die Hitze: "Die Dagmar Koller, die damals in der Naglergasse gewohnt hat, hat mir einmal gesagt: Es ist gut, dass Sie im Freien stehen, weil da kriegen S’ keine Falten. Und recht hat sie gehabt!"

Seit zehn Jahren ist Frau Carina nun hier beim Stadtpark – und sie mag immer noch am liebsten das Rausstellen der Ware in der Früh: "Der Chef hat einen Großhandel, das ist angenehm, weil wir immer genug Blumen haben." Sie stellt sie aus dem Standl heraus auf die Bänke, auf Kisten oder in Kübeln im Kreis um einen Baum herum: "Das da sind Matricaria oder Kamillen, wie man auch sagt, die sind ganz entzückend, sehr lieblich und romantisch." So reden Floristinnen, die ihre Blumen lieben. "Das da ist Septemberkraut, das da ein Löwenmaul oder Froschgoscherl, das da ein Flachs, der ein bisserl duftet." Und die Liebe lässt nie nach: "Das da sind Chrysanthemen, Trachelium, Lilie, die duften, und welche, die nicht duften. Wos woin S’ nu wiss’n? Das sind Känguruhpfötchen, das Animonen, das Gerbera, Nadelkissen, Hyazinthen und Märzenbecher. Und da, schau’n S’, haben wir schon die Pfingstrosen neben den Ranunkeln, die im Frühjahr eigentlich fast so gut gehen wie die Tulpen."

Die Lieblingsblume aller

Die Tulpen! Ausnahmslos alle, sagt sie, wollen im Frühling Tulpen haben. Heimische von den wenigen Gärtnern, die noch welche produzieren, oder die aus Holland. Das Liliengewächs mit seinen geschätzt 150 Arten läutet verlässlich den Frühling ein, "der die beste Zeit ist, um Blumen zu verkaufen. Die Leute wollen Farbe, was Blühendes, was Lebendiges", sagt Frau Carina, die Tulpen freilich nur im Bund zu zehn Stück verkauft, "weil da musst du viele in der Vase haben, drei schaun nach nix aus."

Rote Nelken werden "nimmer so wirklich viele verkauft", auch nicht am Ersten Mai. Mit einer Ausnahme: "Die Ukrainer und Russen kaufen die in unglaublichen Mengen, der zurückliegende Weltfrauentag war der reine Wahnsinn." Mit dem Streik der Weberinnen von St. Petersburg am 8. März 1917 begann in Russland die Revolution, ab 1921 feierte man an diesem Tag "die Stärke der Arbeiterinnen und Bäuerinnen". Heute ist er dort eine Mischung aus Mutter- und Valentinstag, und dass viele von ihnen mittlerweile in Wien leben – die einen geflüchtet vor den anderen –, ist nicht zum Schaden der Floristinnen.

Und die Verliebten? Am klassischen, ebenfalls weltweit gefeierten Valentinstag werden natürlich immer noch rote Rosen verkauft, "was ein Wahnsinn ist, weil wer soll all die Rosen produzieren?". Ob die rote Rose aber tatsächlich ein Zeichen von Liebe ist? "Ich glaub eher, die muss halt sein." Dass manch Galan an diesem Tag einen Strauß für die Ehefrau und einen für die Freundin kauft, das hat sie durchaus schon erlebt. Und Männern, die im Stress sind und fragen, ob sie sieben oder neun Rosen kaufen sollen, antwortet sie: "Kommt drauf an, wos Sie woin von dem Abend. Nehmen S’ lieber zwölf – oder gleich fuchzehne!"

Blumen für Tinder-Liebe

Ihr Freund aber habe "ein Pech mit mir, weil es schwer ist, mir mit Blumen eine Freunde zu machen". Unlängst aber hat ihr der Chef einen Strauß zum Geburtstag geschenkt, und über den hat sie sich sogar sehr gefreut. Gemacht hat ihn ihre Kollegin, die sich die Fingernägel mit Blumen schmückt und eine mit Blumen bedruckte Schürze anzieht. "Soll ich einen grauen Mantel tragen?", fragt sie, die mit allen Kunden ins Gespräch kommt und genau das an ihrem Beruf liebt: "Vom einen ist die Mama im Spital, dem geben wir nichts mit, was duftet. Ein anderer ist frisch verliebt und geht zum ersten Date mit der Online-Bekanntschaft."

Wenn es gut gelaufen ist, dann kommt er vierzehn Tage später vielleicht wieder und lobt die Lebensdauer der Rosen. Während er sich von seiner neuen Liebe erhofft, dass sie länger als zwei Wochen lang halten möge.

(7.4.2025 im Standard)

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