Sirtaki trifft Wienerlied

Sie verliebte sich mit sechs Jahren in griechische Musik. Die frühere PR-Expertin Charlotte Ludwig tritt mit ihren Sirtaki-Schrammeln nicht nur in Wien auf, sondern organisiert auch Fanreisen auf die Insel Lemnos

15.07.2024 im STANDARD


Charlotte Ludwigs Eltern betrieben das Café Hanuschhof im dritten Bezirk und im Theater an der Wien die Kantine samt den Buffets: "Dort wuchs ich praktisch auf." Sie lernte legendäre Schauspieler wie Josef Meinrad kennen, den Dirigenten Leonard Bernstein oder den Opernsänger Heinz Zednik, die in der Kantine mit ihr plauderten. Als noch wichtiger für ihr späteres Leben erwies sich aber, dass der Papa ausgebildeter Tenor war und die Mutter Mundartdichterin.

"Wir gingen gerne zum Heurigen", erzählt sie, "fast jeden Abend fuhren wir nach Grinzing hinaus." Damals kamen die Schrammeln meistens mit einer Quetsche und einer Kontragitarre noch zu einem an den Tisch, und abhängig vom Geld, das sie kriegten, blieben sie sitzen, und sie konnte mit dem Papa zur Musik singen. "Mir hat das total getaugt!", sagt Ludwig, die sich auf diese Weise ein Repertoire von über hundert Wienerliedern aneignete, die sie bald auswendig singen konnte: "Waunn i amoi stirb, stirb, stirb …"

Mit Valente nach Piräus

Und dann hörte sie als Sechs­jährige Catarina Valente mit dem Lied Ich bin ein Mädchen von Piräus – womit ihre zweite große Liebe befeuert wurde, die zu Griechenland. Obwohl die Familie damals nur bis nach Jugoslawien in den Urlaub kam, bis auf die Insel Hvar, nach Split oder Sveti Nikola, wo die Lieder der Einheimischen freilich auch eine ähnlich fröhliche Traurigkeit vermittelten wie die der Wiener und Griechen. Weil die Eltern "Tag und Nacht gearbeitet haben", musste sie nach den Urlauben wieder ins Internat der Klosterschule St. Peter und Paul in Erdberg, wo sie noch zusätzlich in Kirchenmusik geschult wurde. Eine 20-jährige Karriere im Kirchenchor sollte später folgen.

"Ich will singen!", sagte sie schließlich zum Papa und begehrte Aufnahme ins Reinhardt-Seminar, voller Überzeugung, dass die Bühne ihr Leben bedeuten könnte. Aber der sagte: "Geh, schau dir doch die ganzen Hungerleider dort an!", und weigerte sich, zu zahlen. "Ich glaub, ich hätt’s geschafft", sagt sie noch heute mit erkennbarer Traurigkeit in der Stimme, aber der Besuch einer Hotelfachschule führte sie schließlich auch auf den richtigen Pfad.

Denn als 19-Jährige kam sie erstmals als Reiseleiterin nach Athen, wo sie abends die Lokale der Hauptstadt besuchte und die Volksmusik der Einheimischen hörte, und sofort dachte sie: Ich muss wissen, worüber die singen! Sie kaufte sich einen Langenscheidt und lernte jeden Tag eine Lektion. Nach zehn Tagen konnte sie sich ganz gut unterhalten, und nach ein paar weiteren Tagen verstand sie die Texte der Lieder, die von der Ferne erzählten, der Sehnsucht, dem Meer, der Sonne und der Heimkehr – und wie die der Wiener vom Wein, nur halt vom griechischen.

Griechischer Wein

Im Jahr darauf war Charlotte Ludwig, die heute perfekt Griechisch spricht, von März bis November auf Rhodos, wo sie eine kleine Taverne entdeckte, in der drei Musiker spielten, die sie mitsingen ließen. "Dort habe ich das Gesangsgut so weit perfektioniert, dass ich danach im Winter, wo ich hack’nstad war, im Restaurant Rhodos für ein Cola und ein Essen aufgetreten bin", lacht sie. Trotzdem musste sie zunächst noch den Umweg über die Gründung einer eigenen PR-Agentur nehmen sowie den einer kleinen Karriere als österreichische Karaoke­meisterin.

Diese ergab sich so: "Ich war in New York, als das Karaoke aufkam, und hab mir dort so eine kleine Karaokemaschine gekauft, da war ich sicher eine der Ersten, die eine hatten." Zeitgleich eröffnete in Wien Viennas First Karaoke Club, bei dem sie Gründungsmitglied wurde. Jede Woche gab es Klubabend, während dem sie verlässlich Whitney Houston sang: "Die ist schon eine Challenge, aber ich brauche Challenges."

Ein Jahr lang gab es in jedem Bundesland Vorausscheidungen, bis sie als Wien-Siegerin am Finale in der Tenne Tabarin in der Anna­gasse teilnahm, die Jazz Gitti saß in der Jury. Sie schaffte es in die zweite Runde, wo aber die Maschine einging und man nur das bereits gesungene Lied wiederholen konnte. Sie entschied sich stattdessen für eine A-cappella-Version von Greatest Love Of All – und gewann! Das war 2003.

Griechisches Wienerlied

"Vor zehn Jahren, mit 56, hab ich meine PR-Agentur zugedreht, und meine Gesangslehrerin sagte: Probier’s doch mit dem Wienerlied!" Der Herbert Schöndorfer – "Das ist der Beste in diesem Metier! Ein wunderbarer Akkordeonist!" – nahm sie mit auf seine Veranstaltungen, "die Leute wollten uns hören!" Aber als ehemalige Eventmanagerin wollte sie ihre Auftritte bald lieber selbst organisieren, was sie für die nächsten fünf Jahre auch tat. Bis sie bei einer Veranstaltung im Wiener Metropol den Musiker Kosta Liaskos sah, der dort virtuos die Bouzouki spielte, und sie dachte: Vielleicht kann man das ja kombinieren? Das Wienerlied und die griechische Volksmusik?

Ludwig fragte seine Freundschaft auf Facebook an, und bald nahmen sie den Musiker Harry Kucera dazu und den Christian Höller am Akkordeon. "Wobei man sagen muss: Die griechische Musik kennt viele 7/8- oder 9/8-Takte, während das Wienerlied in Vierteltakten gespielt wird, das war nicht einfach, das zusammenzubringen." Einfacher war das Finden gemeinsamer Themen für die Texte: Die Sehnsucht, die Traurigkeit und der Wein … Mit Servus Freunderl schafften sie es bis in die Große Chance, und bald nahmen sie als Sirtaki-Schrammeln eine CD auf. "Für die Fremdkompositionen habe ich in monatelanger Arbeit die Rechte gecheckt", lacht sie heute.

"15 Jahre lang hatte ich einen Mann, 17 Jahre einen Freund, Kinder haben sich nie ergeben, und jetzt bin ich leider allein, aber ich bin nicht gern allein!", sagt sie mit einiger Wehmut. Ist das ein Aufruf? "Ja, gerne!", lacht sie, wobei: "Es müsste sich halt einer finden, der sich da neben mich hinstellt und mir beim Singen zuhört." Während ihrer gut 50 Auftritte im Jahr, die sie absolviert. Sie tritt beim Wienerliedfestival in Sierndorf auf, beim Schrammelklang am Herrensee oder auf der Insel Lemnos, wohin sie heuer im September eine Fanreise veranstalten wird, nachdem es letztes Jahr nach Skyros ging.

"50 Fans werden mitfliegen", sagt mit strahlenden Augen, und neben den Konzerten werde sie auf einem Schiff auch "Singen, Sprechen und Tanzen mit Charlotte" anbieten, wo sie zum Aperitif mit den Leuten tanzen und ihnen auch ein bisschen Griechisch beibringen wird: "Hallo! heißt Jassas! und net Jössas! Und Guten Morgen heißt Kalimera und nicht Calimero!" Und irgendwann wird sie bei einem Sonnenuntergang wieder daran denken, wie sie als Sechsjährige zum ersten Mal Ich bin ein Mädchen von Piräus hörte und sie die Sehnsucht nach dem Land, das wir die Wiege Europas nennen, nicht mehr losließ.

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