Die Zierfischzüchter von Favoriten
Fotos: Christian Fischer
Michael Milde wurde im Juli zum zweiten Mal seit 2015 Weltmeister der Guppyzüchter. Eine große Ehre – doch Zierfischfreunden hilft es wenig, der Nachwuchs bleibt aus
09.10.2023 im STANDARD
Es nützt den Zierfischfreunden der Stadt nicht viel, dass selbst Bürgermeister Michael Ludwig mal ein begeisterter Guppyzüchter war. Guppys, das sind kleine lebendgebärende Zierfische, die nach ihrem Entdecker Robert John Lechmere Guppy benannt wurden und deren ursprüngliches Vorkommensgebiet das nordöstliche Südamerika und die vorgelagerten Antilleninseln sind. Die Männchen sind sehr bunt und weisen zahlreiche Prachtmerkmale auf, und wer die mit den prächtigsten Merkmalen züchtet, der kann auch mal Weltmeister der Guppyzüchter werden. Heuer im Juli war das – in der Kategorie Großflosser – bereits zum zweiten Mal nach 2015 Michael Milde, und kürzlich wurde er zum Drüberstreuen auch wieder einmal Europameister. Der Bürgermeister spendet bei solchen Veranstaltungen, wenn sie in Wien stattfinden, gerne mal den Ehrenpokal. Das kommt auch bei Mildes Züchterfreunden gut an, wenn er ihnen davon erzählt. Nur werden die in Vereinen organisierten immer weniger.
Das Internet und das Fischsterben
Davon weiß auch Franz Lowak zu berichten, "seit sechs oder acht Jahren Obmann der Favoritner Zierfischfreunde, ich weiß es nicht mehr so genau". Die Mitglieder des "ältesten und mitgliederstärksten Aquarienvereins des Wiener Landesverbandes", so die Homepage, treffen sich einmal im Monat im Vereinslokal im zehnten Bezirk, im Gasthaus Timo, wo man sich auch Bücher aus der "umfangreichen Fachbuchbibliothek" ausborgen kann. "Wir hatten mal so um die 100 Mitglieder, jetzt sind es noch 25", erzählt er, aber auch von denen kommen längst nicht mehr alle zu den Treffen. Lowak gibt dem Internet die Schuld daran, dass sich die Zierfischvereinsmeierei langsam ganz aufhören wird. "Früher ist man halt ins Vereinslokal zu den Vereinstreffen gegangen und hat Ältere, Erfahrenere gefragt, wie das zum Beispiel mit der Zucht lebendgebärender Fische ausschaut", erzählt er. Und einen besseren Lehrer als ihn haben die Jungen nicht finden können.
Aufgewachsen in der Per-Albin-Hansson-Siedlung im zehnten Bezirk, stellte er schon als Kind sein neun Quadratmeter großes Zimmer mit Aquarien voll. Bald hatte er 34 Becken, und während seine Freunde sich vielleicht für Mädchen zu interessieren begannen, begeisterte er sich für Lebendgeburten bei Fischen. "Es gibt nämlich Freilaicher, Bodenlaicher, Substratlaicher, Nestbauer und Maulbrüter", könnte er neuen Vereinsmitgliedern erklären. "Und dann eben auch lebengebärende Zahnkarpfen wie Platy, Molly oder Guppy." Mit zwölf Jahren beobachtete er seine ersten Fischgeburten, und wenn die Fische sich im Sommer um vier Uhr früh paarten, dann stand er um drei Uhr früh auf und saß als Beobachter vorm Aquarium.
Aus Liebe zum Guppy
"Lesen!", würde er weiters jedem Nachwuchszüchter raten, der sich mit der Aquaristik zu beschäftigen beginnt. Zum Beispiel Er redete mit dem Vieh, den Vöglein und den Fischen von Konrad Lorenz, das er als 14-Jähriger verschlang, mit 17 hat der dann zum ersten Mal persönlich beim Meister in Altenberg vorgesprochen. Seither nennt er sich einen "Konrad-Lorenz-Jünger, der später viel auf der Uni herumgezogen ist, aber nie etwas studiert hat". Er fing lieber in der Zoohandlung der Firma Ehrmann im zwölften Bezirk als Verkäufer an zu arbeiten, wo sich seine Zuchtbemühungen in Richtung Meeresfische verlagerten. "Dort habe ich diesbezüglich am meisten gelernt", erzählt er auch aus der Zeit seiner Anfänge, als man Aquarien noch mit Gasflammen beheizte, die zwischen zwei Becken standen, und künstliche Sonnenauf- und -untergänge mit Glühbirnen oder Neonröhren erzeugte, die an Zeitschaltuhren angeschlossen waren. Heute gibt es alles Mögliche an Hilfsmitteln, was die Fischhaltung und -zucht deutlich erleichtert. Aber eben auch das Internet, wo man all das kaufen kann oder auch nachschauen, wie das überhaupt geht mit den Zierfischen.
Franz Lowak, Obmann der Favoritener Zierfischzüchter.
Nach drei Jahren als Verkäufer beim Ehrmann hat er in Stockerau sein eigenes Zoofachgeschäft mit Schwerpunkt Aquaristik aufgemacht, bald darauf ein zweites in Wien-Floridsdorf. Beide musste er vor zwanzig Jahren wegen einer schweren Augenerkrankung wieder schließen. Geblieben ist ihm die Liebe zu den Fischen und sein Verein, neben dem es in Wien zurzeit noch sechs weitere gibt. Behram Malek betreibt im zehnten Bezirk seit über 20 Jahren seinen "Favoritner Zoo – Fachhandel für Tiere und Aquarien". Oft hat er eine Kaninchenvoliere in der Auslage stehen, und wenn die Eltern mit den Kindern vorbeikommen und der Papa gut aufgelegt ist, dann nehmen sie auch gleich mal ein Kaninchen mit. "Aber mit Zierfischen geht das nicht, das muss man sich genau überlegen." Er hat zu Hause auch ein Aquarium und schaut sich seine Fische gerne an. "Wenn du keine Erfahrung hast, dann kannst du das ja nicht machen, es muss dich selbst interessieren!", sagt er. Ob er heute weniger Fische verkaufen würde als vor zwanzig Jahren? "Es ist immer gleich", sagt er. Die Asiaten würden Goldfische kaufen und die Einheimischen alles andere. Die meisten seiner Kunden wären einfache Hobbyaquarianer wie er selbst. "Das sind diejenigen, die nach Hause kommen, schauen, ob noch alle Fische leben, und sich dann davorsetzen und ein wenig beobachten." Solche, die mehr Energie in ihr Hobby stecken, kennt er aber auch: "Die sind wie Bonsai-Pfleger und schneiden stundenlang die Pflanzen in ihren Aquarien." Aber in einen Verein gehen weder die einen noch die anderen.
Das Ende der Vereinsmeier
Zum Ständig-die-Pflanzen-Schneiden hat der Weltmeister gar keine Zeit, "ich bin ja kaum daheim", lacht der umtriebige Verleger. In seinen 89 Aquarien vollzieht sich der Wasserwechsel längst automatisch, reinigen muss er kaum noch, und trotzdem hat er keine Algen, die Becken sind alle sauber. "Das ist wie in der Natur", sagt er. "Im Weissensee kommt ja auch keiner und saugt den Boden, und trotzdem ist das Wasser immer glasklar." Er nennt, was er macht, "das unnötigste Hobby der Welt". Und doch ist es ihm so wichtig, dass er mittlerweile die Obmannschaft der Österreichischen Guppy-Gesellschaft (ÖGG) übernommen hat. Über das Vereinsleben derer, die wie er "das unnötigste Hobby" pflegen, macht er sich aber keine Illusionen: "Das hört auf", sagt er. "Und zwar nicht nur bei uns Fischerlzüchtern, sondern auch bei den Schachspielern oder Schneckenzüchtern und allen anderen. Mir kommt vor, die Leute vergraben sich alle und wollen sich nicht mehr treffen!", lacht er. Aufhören zu züchten wird er aber trotzdem nicht. Die nächste Guppy-Weltmeisterschaft kommt ja bestimmt, und ein paar Pokale wird der Bürgermeister schon noch spenden. Nur in den Vereinslokalen werden vermutlich nicht mehr allzu viele von ihnen landen.