“Siebene, Ochte, Neine – Hoiz! Hoiz! Hoiz!“

Im Keller eines Pfarrheims in Favoriten treffen sich zwei Mal pro Woche leidenschaftliche Sportkegler, der älteste ist 88. Wer den Bewegungsablauf beherrscht, spart sich vielleicht eine Knieoperation, der Kniestrumpf aber scheint obligatorisch. Dafür wartet nach 120 Würfen Entspannung in der vereinseigenen Sauna.

„Früher waren hier die Betriebskegler der Firma Herz-Armaturen einquartiert“, erklärt Alexander Steffler, der Sportobmann des SK GÖC Sportkegeln. „Das war das Aushängeschild von denen, die haben sogar Superliga gespielt, ganz oben.“ Betriebskegelbahnen gab es in Wien viele, „ich selbst bin bei der Waagner-Biro groß geworden, und die haben für ihre Mitarbeiter auch eine hingebaut.“

„Vor ein paar Jahren haben wir das von der Herz übernommen“, erzählt er. „Wir haben eine Plattenbahn reinlegen und uns die Elektronik von der Firma Pauly machen lassen.“ Münzen werden hier im Keller des Pfarrheims der St. Antonskirche in Favoriten nicht mehr eingeworfen, er dreht einfach den Schlüssel, und es kann losgehen auf den vier Bahnen. Um die herum und im gesamten Vereinslokal stehen einige der vielen tausend Pokale, die sich seit der Gründung des Vereins 1941 angesammelt haben. Die Kinosessel haben sie aus einem Landkino gerettet, als dieses zusperrte. Steffler hat dann hier ein Podest gebaut und die Sessel darauf befestigt. Dort sitzen jetzt die rund 30 Fans, die jeden Montag zu den Meisterschaftsspielen kommen. „Siebene, Ochte, Neine – Hoiz! Hoiz! Hoiz!“ kann man sie dann rufen hören. Stefflers zweite Frau ist heute bei diesen Spielen nicht mehr dabei, „das ist ihr zu laut!“ Als es damals um die Hochzeit mit ihr ging, „habe ich ihr ein paar Termine genannt und gesagt: da können wir heiraten. An den anderen Terminen tu‘ ich kegeln.“

Die übrigen Mitglieder der vier Mannschaften des SK GÖC sind ähnlich leidenschaftliche Kegler, sie spielen in der 1. und 2. Landesliga sowie in der Wiener Liga. Die Meisterschaften beginnen im September und laufen bis Mai, wie im Fußball. Auf der Homepage des Wiener Landesverbandes sind 26 Vereine gelistet, diese treten mit ihren verschiedenen Mannschaften in Hin- und Rückspielen gegeneinander an. Jeder Spieler muss 15 Würfe „ins Volle“ und 15 beim „Abräumen“ machen, während 12 Minuten auf jeder Bahn. Diese 120 Würfe pro Spiel können ganz schön anstrengend werden, erklärt Thomas Schubert, der mit Vizeobfrau Elisabeth Zima als erster zum Training kommt. Der Kniestrumpf infolge Meniskusverletzung ist eine Art Erkennungsmerkmal unter Keglern, auch Bandage am Oberschenkel tragen sie oft. „Typische Verletzungen!“, nennt er das, der gleich beim ersten Versuch „Holz!“ wirft, oder wie die Deutschen sagen: Alle Neune!

Doch Vorsicht: „Gerade aus werfen und alle umhauen kann jeder!“ Eine Herausforderung werde es erst beim Abräumen, wenn auch mal der letzte verblieben Kegel getroffen werden müsse. Auch er hat im Kraftwerk Simmering, wo er arbeitet, auf einer eigenen Betriebskegelbahn angefangen, über eine Betriebskegelmeisterschaft kam er hierher zum SK GÖC in Favoriten. „Da hat es mir getaugt!“, sagt er, also ist er geblieben. „Das Kompetitive, das Spiel gegen die anderen Vereine, das stachelt mich an.“ Da gibt es nämlich immer noch den einen oderen anderen, den er noch nie geschlagen hat, und dann denkt er sich: „Den hol‘ ich mir heute! Man muss sich halt bemühen, dann geht es irgenwann.“ Bis dahin denkt er sich aber auch manchmal: „Das gibt’s ja nicht! Was mach‘ ich falsch? Und was macht der besser?“

„Trainieren, trainieren, trainieren! Und zwar immer wieder den kompletten Ablauf“ Diesen Rat gibt ihm die Vizeobfrau, die ihre eigene 2,85 Kilogramm schwere Kugel mitgebracht hat. Anders als beim Bowling sollen sie hier beim Wurf nicht rutschen, darum tragen sie – auch anders als beim Bowling – ihre eigenen Sportschuhe zur kurzen Hose und zum Vereinsshirt. Die Bewegungen freilich sind denen von Bowlinggott Jesus Quintana in The Big Lebowski nicht unähnlich, sofern sie richtig ausgeführt werden: „Eins, zwei drei!“, erklärt Sportobmann Christian Werner den richtigen Ablauf. „Dann Kopf nach unten und Körper gerade halten. Nicht mit Schulter oder Hüfte schummeln! Alles muss eine Einheit sein.“ Dabei klingt er wie Toni Innauer, wenn er übers Schispringen redet.

Thomas Schubert legt wert darauf, dass das hier keine Wirtshausbahn ist. Der verdanken die Kegler nämlich ihren in Teilen schlechten Ruf, wonach sie hauptsächlich trankeln und nur nebenher kegeln würden. Er jedenfalls nimmt das sehr ernst, und die Anstrengung ist ihm auch ins Gesicht geschrieben. „Manche gehen am nächsten Tag die Stiege verkehrt, weil sie so einen Muskelkater haben“, lacht er. Er wechselt zunächst nur den Kniestrumpf auf die andere Seite und wischt wieder seine Kugel ab. „Der Sportobmann wachst die Bahn nämlich immer so stark ein, dass dann meine Kugel so fettet, und das mag ich nicht.“

Das Wachs, sagt der Sportobmann, diene aber hauptsächlich der Optik, „die Bahn soll ja schön glänzen“. Ob es die Kugeln auch beschleunigt, wie manche meinen? Dafür hätte er keine wissenschaftlichen Beweise! Wirklich wichtig wäre das Wachs nur draußen auf dem sogenannten Vierpaß, auf dem die Kegel stehen. „Der muss schön fett sein, damit sie auch schön rutschen.“

Ebenfalls mit Kniestrumpf taucht nun Hermann Nader auf. Der ist freilich schon 87 und hat seine wohlverdienten Bandscheiben- und Knieoperationen schon hinter sich, ansonsten ist er gerade „topfit“. Die 30 Würfe in 12 Minuten schafft er locker, „ganz selten, dass das einmal ein besonderer Brodler nicht schafft.“ Er liebt „die Bewegung“, darum hat er schon 1960 mit Kegeln angefangen. Nach verschiedenen Stationen bei anderen Vereinen hat er hier seine letzte Heimat gefunden – auch, weil er ja sowieso Favoritener ist. Wie gut er kegelt? „Es gibt schlechtere!“, sagt er ganz bescheiden. Zwei Mal pro Woche trainiert er, heute zusammen mit seinem Freund Herbert Ganglmeyer, der 86 ist und mit seiner 88jährigen Frau Anna gekommen ist.

Sie hat ihren Herbert vor 60 Jahren kennengelernt, und selbstverständlich hat der auch damals schon gekegelt. „Wenn man jemanden gern hat, dann nimmt man Verschiedenes in Kauf!“, sagt sie. Dass er früher oft zu Auswärtsspielen fuhr, regte sie daher nicht auf, außerdem ist er ja eh immer wieder zurückgekommen ist. „Mein Mann ist eine Seele von einem Menschen und die Treue in Person.“ Außerdem hat er beim Umbau der Kegelbahn kräftig mit angepackt: „Was ich da Stunden reingesteckt habe! Die Türe da draußen hab ich eingebaut. Und die Wand da, die war früher gar nicht da!“

Wie alle 35 Mitglieder, von denen 27 aktiv kegeln, zahlen auch sie verlässlich ihre 25 Euro Mitgliedsbeitrag im Monat, die dem Obmann helfen, den Betrieb halbwegs zu finanzieren. „Wir zahlen 2100 Euro Miete pro Monat, das ist der Pfarrer sehr streng“, lacht er. Inklusive Betriebskosten und Internet für die Youtube-Übertragungen der Meisterschaftsspiele wird das auch mit Tombolaeinnahmen, die sie an manchen Spieltagen genrieren, manchmal eng. Darum haben sie oben neben der Türe beim Eingang zum Pfarrheim auch einen Zettel aufgehängt: „Spieler gesucht, 6-100 Jahre.“ Dass sie im hinteren Teil des Kellers auch eine Sauna haben, die sie gerne nützen, haben sie vergessen dazu zu schreiben. Wenn die Welt noch kälter wird, wäre das vielleicht ein zusätzlicher Anreiz. Neben „Siebene, Achte, Neine – Hoiz! Hoiz! Hoiz!“

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Godfrey