Hans Rauscher

Foto: Rauscher

Hin und wieder fragt ihn eine hoffnungsvolle journalistische Nachwuchskraft, wie man denn das gute Schreiben lernen könne, und dann sagt er: „Einerseits ist es natürlich Talent. Anderseits lernt man Stil aber nur durch Lesen.“ Dann schauen sie ihn mit tellergroßen Augen an.

Er selbst kam früh zum Lesen, erlebte dabei aber ebenso früh eine Art Spaltung der Gesellschaft: „Da war die Bibliothek meiner Großmutter mütterlicherseits, einer sozialistischen Krankenschwester, die überraschende Bücher wie die von B. Traven oder Alfons Petzold zu Hause hatte. Beim Großvater väterlicherseits hingegen, einem Polizisten, fand ich konservative und teils auch Naziliteratur wie die von Maria Grengg oder Mirko Jelusisch vor, der Biografien schrieb mit schreienden Titeln wie: Cromwell! Die haben mich sogar interessiert, die Grengg aber war nicht zu lesen.“ Bald wanderte sein Blick ohnehin über den heimischen Nazitellerrand hinaus, und in Buchhandlungen am Wiener Neuen Markt oder auf der Kärnterstraße besorgte er sich seine geliebten Amerikaner im Original. (Wenn er sich zwischendurch am Heimweg zum Gemeindebau im 19. Bezirk überfallen lassen wollte, steckte er sich ein Prinz Eisenherz Schundhefterl ein - „Die waren herrlich gezeichnet, richtige Kunstwerke!“ Das wußten auch die, die ihm diese Kunstwerk im Wertheimsteinpark abnehmen wollten: „Gegen einen hab ich oft gewonnen, aber gegen drei hab ich keine Chance gehabt!“)

1984 hat er als Student in den 1970er Jahren erstmals gelesen und danach immer wieder: „Das ist keine erhebende Lektüre. Aber abgesehen von der Utopie, dass die ganze Welt von Diktaturen beherrscht wird, ist es ein genialer Blick auf Manipulation durch Sprache. Herr Orwell, der sowohl das faschistische wie auch das sowjetische totalitäre System unmittelbar erlebt hat, erkannte die Essenz dieser Systeme: Dass du mit der Umdeutung von Begriffen und Worten eine neue Realität schaffen kannst.“ Das sollten nicht nur Nachwuchskräfte wieder mal lesen - mit tellergroßen Augen, weil man gar nicht glauben mag, wie real das alles geworden ist.

18.1.25

https://buchkontor.buchkatalog.at/1984-9783730609767

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