Otto Lechner

Otto Lechner (61) ist Akkordeonspieler und Komponist.

Foto: Anne Bennent

Die Möglichkeit, in jeder Literatur, die einen gerade interessiert, zu schmökern, die hatte er nie. "Ich hab das immer bewusst machen müssen, die digitale Revolution war für mich daher wirklich eine. Durch Computer und Internet hat sich mein Horizont extrem erweitert." Außerdem hatte er "das große Glück, eine Frau zu erwischen, die mit Literatur viel am Hut hat und mir alles sehr schön vorlesen kann". Diese Frau heißt Anne Bennent und war mit ihm gerade in Marokko an der Atlantikküste, wo sie neben der Literatur auch anderes zu genießen wussten, zum Beispiel das Essen: "Das ist einfach herrlich dort! Die Küche ist so, dass jeder die einfachen Gerichte gut kochen kann!" Oder die Musik: "Ich liebe ja die Gnawa-Musik, und da hab ich beim Zuhören wieder mal viel gelernt, das war wirklich sehr schön!" Mit Kadero Ray gründete er ja einst das Vienna Rai Orchestra, "das hätte ich dort erwähnen können, aber das tu ich nicht, dort bin ich lieber inkognito". In Marrakesch hat ihn dann aber "doch einer derkennt vom letzten Mal, wie ich dort war, der hat sich mich ein paar Jahre lang gemerkt gehabt".

Auf seinem Handy hörte er sich dort Bauern, Bonzen und Bomben von Hans Fallada an, wenn nicht seine Frau ihm daraus vorlas. "Der Titel hat mich gleich angsprungen, und das Buch hält, was es verspricht." Es spielt in den 1920er-Jahren in einer fiktiven deutschen Stadt namens Altholm, "in der ein Aufstand der Bauern stattfindet, die man damals schon ziemlich gepresst hat oder instrumentalisiert, wie auch vor zwei Jahren wieder". Man könnte meinen, manches in diesem Buch wäre satirisch überhöht, "aber wenn man sich anhört, wenn man diesen Erdrutsch der Dummheit heute beobachtet, dann kommt einem da gar nichts mehr überhöht vor". Fallada ist für ihn "ein Moralist, der ein unglaubliches Mitgefühl hat für Menschen, die Gefahr laufen, ihre Würde zu verlieren. Ein jeder spürte damals: Um Gottes Willen, was ist los?" Und so geht es auch ihm heute: "Man weiß gar nicht mehr, was man sich wünschen soll. Das ist die Grundbefindlichkeit, die mich quält – dass ich kein Wunschszenario mehr habe."

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Anne Bennent