Beruf: Blaufärber

Foto: Rebhandl

Karl und Maria Wagner betreiben im Mühlviertel eine der letzten Blaufärbereien in Österreich


Urgroßvater Karl I. wuchs als Stiefkind der Färberfamilie Franz Meissl in Hohenfurt an der Moldau auf. Mit 22 ging er für neun Jahre auf die Walz, auf seiner Wanderkarte markierte er die wichtigsten Orte seiner Reisen bis hinauf nach Dänemark oder hinüber in die Schweiz. In ein Tagebuch schrieb er: "Das Farbedrucken freut mich nicht." Kein Wunder, die Farben stanken damals oft unerträglich nach Benzin. Den Betrieb konnte er nach seiner Rückkehr nicht übernehmen, die Stiefmutter hatte noch einmal geheiratet, sie warf ihn raus.

So kam er ins 14 Kilometer entfernte Bad Leonfelden, wo es drei weitere Färber und Blaudrucker gab, auch die Leinenproduktion erlebte dort einen Boom, alleine 139 Webermeister soll es damals gegeben haben. Ein Kommissär schrieb an die Kaiserin Maria Theresia: "Die Leute hier sind sehr fleißig und ernähren sich in erster Linie von Erdäpfeln." Heute bezieht Urgroßenkel Karl IV. Wagner noch Leinen von der Weberei Viehböck, die es seit 1832 in Helfenberg gibt, um es in seiner Druckerei, die es seit 1878 gibt, blau zu färben.

Bevor das organische Pigment Indigo, tiefblau und kristallin, aus dem Herkunftsgebiet Ostindien nach Europa kam, erzählt er, hat man den Farbstoff vor allem aus dem Färberknöterich (in Japan) oder dem Färberwaid (in Europa) gewonnen, der seit der Eiszeit als Färberpflanze kultiviert wurde. Er zeigt mir "Waidbällchen", die früher von Kinderhand geformt wurden, um den Farbstoff haltbar und transportfähig zu machen. Das deutsche Thüringen wurde reich mit dem Anbau dieser Pflanze, die gelb leuchtenden Felder nannte man das "Goldene Vlies Thüringens".

Filz und Schellack

Bevor sie hier das Leinen färben, müssen sie mit einer ihrer hunderten Modeln den sogenannten Papp darauf drucken und das Muster "reservieren", das später weiß bleiben wird. Ihre Modeln sind alte Schätze, deren Herstellung sehr aufwendig war. "Größere Flächen wie Rosen oder Blätter wurden geschnitzt, Messingblechstreifen wurden eingesetzt, mit Filz ausgefüllt und mit Schellack getränkt, die zahllose Messingstifte mussten händisch hineingeklopft werden." Es gibt Mustergleichheiten mit deutschen oder ungarischen Blaudruckern, seine Model Nr. 45 ist die letzte in Österreich produzierte. Die meisten hat schon der Uropa verwendet, er hat sie mit Sperrholz gerichtet, geschnitten, gepickt oder anderweitig stabilisiert. "In manchen ist freilich der Holzwurm drin, dann werfen sie oder brechen, die kann ich vergessen", erzählt Wagner.

Die jeweilige Model wird während des Druckens hunderte Male auf das Kissen gedrückt, das seine Frau (und Chefin des Unternehmens) Maria Wagner mit der Papp jedes Mal neu bestreicht. "Früher war das die Aufgabe des Lehrbuben", erzählt sie. Der Papp ist eine Mischung aus Wasser, Gummiarabikum, Alaun, Tonerde und Harz. Heute müssen sie damit drei Laufmeter bedrucken, aus denen später ein Tapezierstoff für einen Sessel werden soll. "Leinen ist aber kein idealer Möbelstoff", erklärt sie. "Daher wird er nur für Ziermöbel verwendet."

Drei Tage pro Woche drucken sie, an zwei Tagen wird gefärbt. Dafür muss der Stoff zur Küpe gebracht werden, in der die kalte Farbe angemischt ist: "Ich habe ein Pulver, das ich flüssig mache, durch Zusatz von Hydrosulfit und Natronlauge verküpt der Farbstoff, der erst durch Oxidation zur Farbe wird." Er baute aus Metall einen Sternreif nach, den er aus Holz in einem Inserat aus 1894 gesehen hatte. "Da bringen wir 20 Laufmeter drauf." Bei den alten Reifen brachte er 35 Meter drauf, aber da hing der Stoff so eng, dass er klebte.

"Früher gab es auch Urinküpen", erklärt er. "Jeden Montag gab es den Dienstauftrag: blau machen!", daher der "blue monday". Die Färber mussten in ein Fass urinieren, beim Wirten wurde oft Urin zugekauft. Auch die Gerber brauchten den Urin, weshalb es in Pompeji das Färbertor gab, an dem alle, die in die Stadt hinein- oder aus ihr hinauswollten, abschlagen mussten.

Blaues Wunder

Sobald der Stoff aus der Küpe herausgehoben wurde, klebte er oft zusammen. Dafür hatte der Färber einen Stecken, mit dem er zwischen den Bahnen durchfuhr und diese während des Oxidationsprozesses "von Grün auf Blau" schlug. Wenn der Stecken vom Meister am Lehrbuben sachfremd verwendet wurde, sorgte er an dessen Haut für die gleichen gelb-grün-blauen Farben, die sich während des Oxidationsprozesses am Stoff zeigen. Weitere Formulierungen, die aus der Färberei Eingang in unsere Umgangssprache gefunden haben: Vor dem "blauen Wunder" stand man, nachdem der Stoff endlich seine satte Endfarbe angenommen hatte.

Blau war die billigste Farbe, erklärt Wagner, weil man damit kalt färben und sich dadurch Energiekosten sparen konnte. Darum die weite Verbreitung des "Blaumanns" oder der "Blue Jeans" als Arbeitskleidung. Heute suchen sich die Kunden ihren Stoff für die Möbel, das Dirndl oder den Rucksack anhand von Mustertüchern aus, auf die sie alle Modeln gedruckt haben.

Ein Bauer aus dem Mostviertel hat gerade Vorhänge für neun riesige Fenster bestellt, auch Tischdecken fertigen sie auf Wunsch in gewaltigen Größen. Eine bekannte Fotogeschäftsinhaberin aus der Gegend, die oft auf Jagden eingeladen wird, bringt dabei gerne vier Meter lange und 1,8 Meter breite Tischtücher mit Hirschen darauf als Geschenk mit. Dafür müssen sie sieben oder acht Modeln abwechselnd drucken, "das ist sehr aufwendig!". Ab 80 Euro pro Laufmeter ist man dabei.

Tradition und Wertigkeit werden immer wichtiger. Junge Damen bringen Unmengen handgewebtes Bauernleinen zu ihnen, das seit hundert Jahren als Mitgift in den Truhen zu Hause herumgelegen ist. Die suchen sich dann ein Muster aus, holen den bedruckten Stoff und nähen sich daraus ein Dirndl. "Wenn die dann darin vor mir stehen!", schwärmt Wagner. "Das ist so schön, da krieg ich eine Gänsehaut!" Der Preis spielt dabei keine Rolle, man möchte etwas haben, das man weitergeben kann.

Verkauft wird aber auch international, "eigentlich in die ganze Welt". Bald wird es in der südkoreanischen Botschaft in Wien eine Ausstellung koreanischer und heimischer Blaudrucke geben, wofür man zahlreiche ihrer Exponate gekauft – "und sogar schon bezahlt!" – hat. Im Sommer waren sie bei einem deutschsprachigen Färbertreffen in Ungarn, das zusammen mit Tschechien, Deutschland und Österreich den Blaudruck als immaterielles Kulturerbe der Menschheit schützen ließ. Großvater Karl II. hätte sich bestimmt darüber gefreut. Er wurde 91 Jahre alt und sah als Neunjähriger, wie am 10. April 1892 der ganze Ort Bad Leonfelden abbrannte. Seine Blaudruckerei blieb verschont und überlebte bis heute.

(31.01.2025 im Standard)

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